35 Prozent Rabatt

■ SPD-Fraktion will das Telefonieren billiger machen und übt Selbstkritik

Bonn (taz) – „Ich glaube, ihren Börsengang hat sich die Telekom gewaltig erschwert“, urteilte gestern der SPD-Bundetagsabgeornete Hans Martin Bury in Bonn. Deshalb sollen die Postler jetzt umgehend die „soziale Schieflage“ korrigieren und die Telefontarifreform reformieren. So sollen auch Privatkunden ab sofort 35 Prozent Rabatt für häufig angewählte Nummern kriegen, mindestens für 5 Anschlüsse und bereits ab einer Monatsrechnung von etwa 35 bis 40 Mark. Damit würde berechtigte Kritik von Alten, Behinderten und Familien aufgenommen. Großkunden sollten mit solchen Rabatten nicht auf Kosten des kleinen Mannes bevorteilt werden. Auch Nutzer von Online-Diensten dürften sich nicht mehr benachteiligt fühlen. Für sie soll generell eine Senkung der Tarife erfolgen, das habe der Regulierungsrat schon im Oktober beschlossen, aber die Telekom nicht umgesetzt.

Das Rabattsystem für Privatkunden könnte zwar noch nicht flächendeckend eingeführt werden, weil die Digitalisierung erst 1997 abgeschlossen wird. Dennoch sollte es bereits dort angewendet werden, wo es schalttechnisch geht. Um die Kunden zu beruhigen, sollen alle Telefonbenutzer künftig kostenlos Einzelverbindungsnachweise erhalten, ohne die Gebühr von gegenwärtig 19 Mark. Dies sollte so „selbstverständlich sein wie der Kassenzettel im Supermarkt“. Auch soll die Telekom ihren Kunden endlich praktisch handhabbare Hilfsmittel an die Hand geben, damit jedermann seine Gebühren besser einschätzen kann. Kalorienscheiben als Vorbild zum praktischen Rechnen gebe es schließlich auch.

Nach ihrer „peinlichen Show zum Jahresanfang“ sollten die verantwortlichen Politiker jetzt „Farbe bekennen“ und solche Korrekturen durchsetzen. Auch wenn die SPD „ein Relancing der Telekom-Tarife mitgetragen hat“, bedeute das noch nicht, „Bundesregierung und Telekom-Vorstand aus der Verantwortung für offenkundige Fehler und Defizite zu entlassen“. Mit ihren „populistischen Angriffen auf die Telekom“ lenke die Koalition nämlich „ganz offenkundig von drastischen Belastungen ab“, die sie selbst den Bürgern an anderer Stelle auferlegen wolle. Die wahren Einschnitte im sozialen Netz hätte deshalb noch gar niemand richtig im Auge. Holger Kulick