Massengrab in Bosnien

■ US-Regierung kannte schon lange die Vorwürfe gegen serbische Truppe

Berlin (taz) – Ein in dieser Woche „entdecktes“ Massengrab in Bosnien ist der US-Regierung spätestens seit Mitte 1995 bekannt. In der Grabstätte in einem stillgelegten Erzbergwerk nahe der nordwestbosnischen Ortschaft Ljubija werden bis zu 10.000 muslimische und kroatische Opfer der Serben vermutet.

Nach Informationen von US- Diplomaten hatte die Clinton-Administration noch vor Beginn ihrer Initiative für ein Bosnienabkommen entsprechende Aufklärungserkenntnisse der Geheimdienste CIA und NSA erhalten. Daraufhin wurde verabredet, daß die militärische Offensive der bosnischen Regierungstruppen zur Rückeroberung serbisch besetzer Gebiete in der Region Prijedor kurz vor Ljubija anhalten sollte. Als einige Armeekommandeure trotz dieser Absprache Ljubija erobern wollten, entbrannte um die Ortschaft ein besonders heftiger Kampf mit den bosnischen Serben, die der Offensive der Regierungstruppen in anderen Regionen nur wenig entgegensetzten. Nach Recherchen der seit Mitte Dezember in Ljubija stationierten britischen Ifor-Soldaten hatten die Serben in verschiedenen nordwestbosnischen Orten Leichen ausgegraben und in dem Bergwerk verscharrt. Schließlich waren auch Journalisten der New York Times in Ljubija auf zahlreiche Zeugen und Hinweise für die Existenz des Massengrabes gestoßen. Bei den Toten soll es sich vor allem um Zivilisten handeln. Ob und wann das Massengrab gesichert und untersucht wird, ist noch offen. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte sich gestern für unzuständig. Selbst wenn die „Berichte stimmen, weiß noch niemand, wer später einmal für die Exhumierung und weitere Untersuchung zuständig ist“, sagte ein Sprecher des IKRK in Zagreb. Das Hauptquartier der Bosnien- Friedenstruppe Ifor kündigte eine Untersuchung an. Das Gelände wurde inzwischen von den bosnischen Serben hermetisch abgeriegelt. azu

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