Verkehrswende oder Papiertiger?

■ Hamburger „Verkehrsentwicklungsplanung“ verspricht weniger Autoverkehr Von Florian Marten

Die Luft wird sauberer, Bus und Bahn legen deutlich zu, die Zahl der Autokilometer geht leicht zurück, und Fahrräder gibt's immer noch – der Diskussions-Entwurf einer „Verkehrsentwicklungsplanung Hamburg“ (VEP) der Baubehörde malt ein freundliches Bild vom Hamburger Verkehr im Jahr 2010. Trotz eines zunächst kräftigen Zuwachses von LKWs und PKWs, so glauben die Verfasser des ersten Hamburger Verkehrsplans seit rund 20 Jahren, werde es in einer konzertierten Aktion von Bonner und Hamburger Verkehrspolitik gelingen, den Autoverkehr einzudämmen.

Als Wunderwaffe dient der Benzinpreis: Eine Verteuerung um 100 Prozent von 1990 bis 2010 soll die erwartete zehnprozentige Zunahme des Autoverkehrs auf unter drei Prozent drücken. Ein städtisches Handlungskonzept (Straßenbau, ÖPNV-Ausbau, Parkgebühren, Jobticket, Stadtbahn) diese drei Prozent sogar in einen Rückgang von drei Prozent verwandeln und für ein Fahrgastplus im ÖPNV von jährlich 0,9 und insgesamt 30 Prozent sorgen. Im Fahrradverkehr bleibt's beim heutigen Verkehrsaufkommen.

Dabei stützt sich der VEP – ganz modern – auf sogenannte Szenarien, die sich aus der Kombination von Trendabschätzungen mit Maßnahmenpaketen und der Variation veränderter Rahmenbedingungen basteln lassen. Der VEP zählt sogar bis drei und bietet ein Szenario A (vorsichtig Anti-Auto), ein Szenario B (pro Verkehr) und als Planers Darling schließlich das Misch-Szenario C. Dabei will die Szenariotechnik, anders als früher die Generalverkehrspläne, nicht mehr den erwarteten Verkehrsströmen mit vorauseilendem Gehorsam vorausbauen, sondern sie durch zielorientierte Politik eindämmen.

Dennoch überwog bei einem grünen Expertenhearing, an dem Senator Wagner seinen Jungs die Teilnahme strikt untersagte, scharfe Kritik am 100seitigen Entwurf der Szenario-ABC-Schützen. Vor allem die Wirkungsannahmen der Szenarien und das von der Baubehörde skizzierte Hamburger Handlungskonzept in Sachen Verkehr sorgten für hochgezogene Augenbrauen und bissige Bemerkungen.

Beispiel Benzinpreis: Obwohl die Mineralölsteuer am 1.1.94 bereits um 16 Pfennig erhöht wurde, nahm der PKW-Verkehr inzwischen weiter deutlich zu. Die Hoffnung, ein Benzinpreis von drei Mark im Jahr 2010 werde den PKW-Zuwachs in Hamburg nahe Null drücken, erschien den Kritikern unplausibel. Umgekehrt liegen die Zuwachsraten für den Nahverkehr derzeit schon mit zwei bis fünf Prozent pro Jahr deutlich über den schüchternen 0,9 Prozent der Baubehörde. These der Kritiker: Das Verkehrswachstum in Hamburg wird gnadenlos unterschätzt. Vielleicht auch aus diesem Grund finden sich im behördlichen Handlungskonzept keinerlei Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung: Aussagen zur Stadt der kurzen Wege, zu integrierter Stadt- und Regionalentwicklung und zum Umlandverkehr sucht man vergebens. Vielleicht kein Zufall: Schließlich werden schon allein die von der Baubehörde mitgetragenen Konzepte Allermöhe II und Billwerder-Ost die Zahl der PKW-Kilometer um täglich 400.000 bis über eine Million zusätzlich emporschnellen lassen.

Fazit der Kritiker: Ein Ja zu Szenarien, aber nicht zu derart unausgegorenen. Ein Ja zu Handlungskonzepten, aber nicht zu derartig unvollständigen und straßenbaulastigen. GAL-Verkehrshäuptling Martin Schmidt ließ sich die gute Laune jedoch nicht verderben: „Immerhin hat die Baubehörde hier erstmals zugegeben, daß sie den Autoverkehr verringern will und daß sie dies sogar für möglich hält.“