Norddeutsche Schienenträume

■ Kieler Verkehrsministerium will den regionalen Schienenverkehr radikal verbessern / Bonn und Bahn knausern mit Geld Von Florian Marten

Eine „radikale Änderung der Verhältnisse“ im schleswig-holsteinischen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) streben einige Fachbeamte des Kieler Verkehrsministeriums an. Ihr noch streng vertraulicher Entwurf einer „SPNV-Konzeption für Schleswig-Holstein“ zeigt nicht nur auf, in welch unzureichendem Zustand Streckennetz und Fahrzeuge der Bahn im Norden sind, sondern auch, wie einfach diese Mängel zu beheben wären: Durch die Elektrifizierung von Strecken, den Abbau von Engpässen und die Beschaffung einer neuen Zug-Generation könnte Norddeutschland bereits im Jahr 2001 in ein neues Verkehrszeitalter starten.

„Zielprojektion“ ist ein stark beschleunigter und deutlich verdichteter Taktverkehr auf der Schiene. Schwerpunktmäßig auf Hamburg, die Räume Lübeck, Flensburg sowie das Planungsgebiet KERN (Kiel-Eckernföde-Rendsburg-Neumünster) ausgerichtet, soll der einst angestrebte, mangels Pünktlichkeit aber bislang nicht funktionsfähige „Integrale Taktfahrplan“ (ITF) endlich Wirklichkeit werden. Dem Grundprinzip des ITF – von jedem Bahnhof mindestens eine Verbindung pro Stunde in jede Richtung – könnte unter anderem auch die bereits für schlappe zwölf Millionen Mark mögliche Fahrzeitverkürzung Kiel-Lübeck von heute 73 auf 55 Minuten zum Durchbruch verhelfen.

Vordringlich, so das Konzept, seien die schnelle Elektrifizierung der Strecken Itzehoe-Hamburg (30 Minuten Fahrzeiteinsparung), Hamburg-Lübeck-Travemünde und Kiel-Lübeck-Bad Kleinen. Dringend ausgebaut werden müßten die Engpässe Pinneberg-Elmshorn und Wandsbek-Ahrensburg. Für die Räume Lübeck, Flensburg und Kiel soll zudem Platz auf den Schienen für Straßenbahnen bleiben, die hier nach Karlsruher Vorbild Stadt- und Regionalverkehr umsteigefrei miteinander verbinden könnten. Schließlich verlangen die Schienenvordenker einen gründlichen Austausch des überalterten Fuhrparks. Sie spekulieren dabei auf die neue Leichtbaugeneration von Schienenfahrzeugen. Diese neuen Züge sind nicht nur erheblich billiger, umweltfreundlicher, komfortabler und schneller als die alten – sie erlauben auch einen wesentlich kostengünstigeren Betrieb.

Fazit: „Bei konsequenter Umsetzung aller Zwischenschritte kann der Endzustand bereits im Jahr 2001 erreicht werden.“ Das Verkehrsministerium glaubt jedoch nicht daran. Traurig vermerken die BahnfreundInnen: „Der Zeitpunkt 2001 wird nicht zu halten sein.“ Bonn und Bahn bremsen: Nahverkehr im Norden interessiert die zentralen Bahnplaner in Berlin, Frankfurt und im Bundesverkehrsministerium nur am Rande. So machen sich die Kieler wenig Hoffnungen: „Der Bundesverkehrswegeplan ist derart unterfinanziert, daß mit Realisierung der in Schleswig-Holstein vorgesehenen Maßnahmen nur in äußerst geringem Maße zu rechnen ist.“ Kurz: Da der Bundesverkehrsminister für sein bis zum Jahr 2005 reichendes und gut 600 Milliarden Mark teures Planwerk voraussichtlich allenfalls 300 bis 400 Milliarden zur Verfügung hat, muß zwischen einzelnen Projekten entschieden werden. Ein paar Kilometer A 20 oder ein kleiner Teilabschnitt entsprechen den Gesamtkosten einer „radikalen Änderung der Verhältnisse im SPNV Schleswig-Holsteins“. Treuherzig verlegen die Kieler denn auch die Realisierung ihrer Blütenträume ins Zeitalter eines neuen Verkehrswegeplans: „Erst der Planungshorizont 2005 bis 2010 erscheint unter diesen Aspekten realistisch.“