■ Schöner Leben: Zum Haltepunkt
Der Alptraum: Freitag abend in der gewohnten Gastwirtschaft, wie so oft ganz nett, trotz der Jeunesse Dorée, die sich dortselbst auch immer trifft. Doch dann kurz vorm Gehen passiert's. Nicht, daß die schöne neue schwarze Lederjacke weg wäre, es hängt nur gut ein Dutzend schöner neuer schwarzer Lederjacken an der Garderobe. Der Alptraum vom Mainstream.
Es gibt Rettung, und die führt den Trost schon im Namen: „Zum Haltepunkt“. Wo „Haake Beck Edel Hell“ aus der Flasche getrunken wird. Wo rotgesichtige Männer am Tresen festgeschraubt sind. Wo angedunsene Frauen in badezimmergrünen Pullovern „Lord Extra“ in Kette rauchen. Wo das Motiv des Ölbildes hinter dem gelblichbrauenen Nikotinfilm schon gar nicht mehr erkennbar ist. Wo verblaßte Postkarten aus Pauschalhotels grüßen. Wo die Klos unbeheizt sind. Wo in schal gewordene Reste meditiert wird. Wo Kalli schonmal, hilfsbereit wie er ist, dem Wirt zur Hand geht und mit einem schmuddeligen Tuch über den Tisch wischt. Kalli mit seinen drei Problemen: Transpiration, fehlende Schneidezähne und Einsamkeit. Kalli gibt ein' aus, einfach so, obwohl er es beileibe nicht dicke hat.
„Zum Haltepunkt“, das ist die konsequente gastronomische Fortentwicklung von Kaufhalle und Rudis Reste Rampe. Nichts ferner als die Jeunesse Dorée und lederjackenüberfüllte Garderoben. „Zum Haltepunkt“ mit der exzellenten Juke Box. Wenn Pur und Patrick Lindner endlich abgenudelt sind, dann bleiben immer noch Juliane Werding und Hans Albers. „Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise.“ Jochen Grabler
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