Zielgrade wird noch geharkt

■ Heute ist Ortsamtsleiter-Wahl Schwachhausen/Vahr: Zwei Spitzenreiter, drei Außenseiter

Spannend wird es heute abend in der Schule an der Feiligradstraße. Die 19 Mitglieder des Beirates Schwachhausen und ihre 17 KollegInnen vom Beirat Vahr werden den neuen Leiter des gemeinsamenen Ortsamtes wählen. Im ersten Wahlgang nach der öffentlichen Anhörung der fünf KandidatInnen muß einer von ihnen die absolute Mehrheit erreichen. Das jedoch – sagen die Auguren – wird keiner von ihnen schaffen.

Als Spitzenreiter geht Werner Mühl ins Rennen. Seit 1974 ist er stellvertretender Ortsamtsleiter für Schwachhausen/Vahr. „Da will man natürlich irgendwann nicht mehr nur in der zweiten Reihe stehen“, sagt Mühl. Die vergangenen 20 Jahre habe er arbeitsteilig mit dem noch länger amtierenden Ortsamtsleiter Müller gearbeitet, der im Juli 1995 in Pension ging. „Jetzt möchte ich gern die ganze Verantwortung übernehmen.“

Die Probleme der beiden unterschiedlichen Stadtteile kennt Mühl bestens. Schwachhausen leidet unter dem starken Durchgangsverkehr, den auch verkehrsberuhigte Straßen kaum verringern konnten. „Da müssen wir unbedingt neue Ideen entwickeln“, sagt Mühl. Um die „ökologischen Lebensgrundlagen“ des Stadtteils zu erhalten, will er die Autos aus den Vorgärten verbannen und Radwege erhalten, die nach dem Verkehrskonzept als Parkplätze vorgesehen sind.

Schwachhausen mit seiner guten Verkehrsanbindung direkt hinter dem Hauptbahnhof muß sich gegen die ausufernde City abgrenzen. Mühl beobachtet seit einigen Jahren, daß immer mehr Rechtsanwälte und Ärzte ihre Praxen in dem attraktiven Stadtteil eröffnen. Hinzu kommen kleine Dienstleister. Wohnungen werden knapper, Mieten werden teurer. „Die Wirtschaftssenatoren tun dagegen überhaupt nichts“, sagt Mühl.

Um Wohnungen und ihre BewohnerInnen sorgt sich Mühl auch in der Vahr. Ab kommendem Jahr müssen Menschen mit höherem Einkommen Geld für die subventionierten Mieten draufzahlen. Besserverdienende werden aus der Vahr ziehen, befürchtet Mühl.

Die Fehlbelegungsabgabe bereitet auch Bernd Huse Sorgen. „Zu einer sozialen Umschichtung dürfen wir es gar nicht erst kommen lassen“, sagt Huse, der für die CDU startet. Als langjähriger Gesamtbeiratssprecher kennt auch er sich gut in Schwachhausen und der Vahr aus. Ihn beschäftigen vor allem die sozialen Probleme der älteren Menschen, die bald mehrheitlich die Stadtteile bewohnen werden. Hilfsangebote müßten her, damit die Alten nicht vereinsamen. Er will zum Beispiel den Spielplatz auf dem Ulrich-Platz ausbauen, so daß alle Generationen etwas von ihm haben. Und das vor zwei Jahren von der Stadt geschlossene Herbert-Ritze-Bad müsse wiederbelebt werden. „In einem Stadtteil mit 39.000 Menschen gehören Freizeiteinrichtungen dazu“, sagt Huse.

In Zeiten knapper Kassen setzt Diplom-Kaufmann Huse auf mehr Bürgerbeteiligung. Das habe er wohl während seines Studiums in der Schweiz gelernt, gesteht er. „Die Bevölkerung muß mehr in die Verantwortung gezogen werden“, sagt er, das ist Demokratie und nicht nur Wahlen und autoritäres Gehabe von oben.

Der innerhalb der CDU und den beiden Fraktionen in Schwachhausen und der Vahr umstrittene Huse wird es schwer haben, sich gegen das SPD-Mitglied Mühl durchzusetzen. Die Mehrheitsverhältnisse sind für beide knapp: Während alles dafür spricht, daß die sechs Abgeordneten in beiden Beiräten von Bündnis 90/Die Grünen für Mühl stimmen und so zur einfachen Mehrheit beitragen werden, scheinen die Fraktionen der AfB gespalten zu sein.

Im Beirat Schwachhausen schlägt das Pendel für Mühl aus, in der Vahr sollen nach der heutigen Anhörung die Mitglieder befragt werden und ein Mehrheitsvotum abgeben. Ausschlaggebend könnten die zwei Abgeordneten von FDP und PDS sein, eine Stimme hat auch ein ehemaliges Mitglied der DVU abzugeben.

Auf keine verläßlichen Mehrheiten können die Außenseiter um den Sessel im Ortsamt setzen. Barbara Loer geht als unabhängige Kandidatin an den Start. Qualifiziert durch „langjährige Verwaltungserfahrung“ – zuletzt als Pressesprecherin von Kultursenatorin Helga Trüpel – könnte als Außenstehende interessante Impulse für Schwachhausen und die Vahr geben. Doch sie wird voraussichtlich ebenso wie Michael Skiba (jetzt Häfenressort) und Peter Rudolph von der CDU scheitern. Eines hat Rudolph seinen MitstreiterInnen jedenfalls voraus: Erfahrungen im Vorstellungs-Quiz bei Ortsamtsleiter-Wahlen. Schon 1992 hatte er sich erfolglos für den Posten in der Neustadt beworben.

ufo