Lokalkoloratur

Wenn ein Staatspräsident des Staates ersten Dirigenten schlecht findet, behält er das normalerweise für sich. Wenn er das aber nach einer nationalistisch gesteuerten Medienkampagne äußert, um so den Abschuß des Kapellmeisters auch noch kulturell zu legitimieren, dann ist das peinlich. Vaclav Havel, Chef in Tschechien, tat nun gestern genau dieses. Sicherlich ist Hamburgs GMD Gerd Albrecht nicht mehr als ein solider Stardirigent. Aber zum einen konnte man das wissen, als man ihn 1993 zum Chef der Tschechischen Philharmonie gemacht hat. Und zum anderen hätte man in aller Stille eine Trennung herbeiführen können, wenn Albrechts Arbeit in Prag tatsächlich zum künstlerischen Verfall geführt hätte. Da Albrecht gestern mit dem Orchester von einer Spanientournee zurückgekehrt ist, um sich über die Vorgänge in Prag zu informieren, wirkt Havels Äußerung nun wie ein präventiver Genickschuß, mit dem er Albrecht zum Rücktritt zwingen will. Sag schon mal leise Servus, Gerd. tlb