Feine Tritte unterm Tisch

■ Bridge – dem königlichen Kartenspiel wird am Wochenende auf Norddeutschlands größtem Turnier gehuldigt Von Olaf Zühlke

Bridge gilt allgemein als idealer Zeitvertreib für tüdelige alte Tanten beim Tee. Während vier mehr oder weniger rüstige Seniorinnen die Skandale in der näheren Nachbarschaft analysieren, spielen sie nebenher ein wenig Karten. Und zockt nicht auch die Queen jeden Donnerstag mit ihrer Mom und ihren Kammerzofen?

Vorurteile dieser Art können fortgeschrittene SpielerInnen kaum aus der Ruhe bringen – für sie ist Bridge eine Sportart. Zwar fließen am Tisch nur wenige Schweißperlen, aber „beim Bridge werden die Denkmuskeln trainiert“, stellt der ehemalige Bundesligaspieler Robert Boeddeker klar. Und körperliche Fitness ist auch beim Bridge Voraussetzung für den Erfolg: Bei wichtigen Turnieren wird am Tag bis zu zehn Stunden konzentriert gespielt, schlappmachen gilt nicht. „Jede Minute ist Druck am Tisch, jeder Fehler wird bestraft“, berichtet Flora Zarkesch, die in Alsterdorf einen Bridge-Treff mit etwa 80 Spielern leitet.

Konzentration muß sein bei dem anspruchsvollen und hochkomplizierten Kartenspiel. Charakteristisch ist, daß zwei einander gegenübersitzende Spieler während einer ganzen Partie ein Team bilden. Der Niedersachse Boeddeker und die Iranerin Zarkesch bilden seit fünf Jahren ein festes Gespann. Sie haben auch schon an Weltmeisterschaften teilgenommen – wenn auch, nach eigenen Angaben, „nicht sehr erfolgreich.“ Mehr Erfolg haben die beiden als Bridge-Lehrer, ihre Kurse sind immer voll belegt.

Beim Bridge haben die beiden Partner stets zahlreiche Möglichkeiten, einander freundlich-bestimmt über eventuelle Spielfehler aufzuklären – für Anfänger bisweilen eine etwas frustrierende Sitte. Außerdem hat ein eingespieltes Duo die Chance, durch Fußtritte und Grimassen verbotenerweise unterm Tisch Informationen über die Karten auszutauschen. So etwas kommt aber angeblich so gut wie nie vor, denn Bridge-Spieler gelten als ehrliche Leute. Dennoch werden bei wichtigen Turnieren Sichtblenden aufgestellt, um einen Mogelverdacht von vornherein auszuschließen.

Nicht nur unfeinem Betrug, auch dem Zufall wird beim Bridge keine Chance gegeben. Die Spielkarten werden im Laufe des Turniers von Tisch zu Tisch weitergegeben. Sieger ist das Team, das aus den vorgegebenen Karten die meisten Punkte herausgeholt hat. Gleiches Blatt für alle – ein solch egalitäres Denken hat hierzulande seit jeher schlechte Karten. So waren Bridge-Clubs während der Nazi-Zeit verboten, weil das Spiel als undeutsch und dekadent bezeichnet wurde. Unschwer hatte es dadurch das ur-germanische Skatspiel, hierzulande seinen Spitzenplatz an den Kneipentischen zu behaupten. Völlig unverständlich für Bridge-Fans: „Skat find' ich totlangweilig“, meint Boeddeker, „nach drei Spielrunden hab' ich keine Lust mehr“.

Der Rest der Welt sieht das ganz ähnlich, denn international ist Bridge weit populärer als Skat. Seltsamerweise bridgen die Engländer trotz der Prominenz der dortigen Fans kaum besser als die Deutschen, dagegen ist das Spiel in Polen oder den Niederlanden fast schon Volkssport. Der bekannteste Spieler überhaupt ist zweifelsohne der Kino-Dino Omar Sharif, der seine Rente durch das Schreiben von Artikeln und Lehrbüchern über Bridge aufbessert. Nimmt der unvergessene Dr. Schiwago-Darsteller höchstpersönlich an einem Bridge-Turnier teil, bilden sich umgehend Menschentrauben um seinen Tisch.

Auch in Hamburg hatte sich der Oma-Schwarm aus Hollywood schon einmal angekündigt, kam aber dann doch nicht zum traditionellen Januar-Turnier des Alster-Bridge-Clubs. Und vermutlich wird er auch in diesem Jahr nicht erscheinen. Neugierige und Interessierte HamburgerInnen aber können am 21. Januar ab 10 Uhr im SAS-Radison-Hotel (ex-Plaza) am Dammtorbahnhof beim größten eintägigen Bridgeturnier Norddeutschlands hereinschauen, zu dem etwa 300 Spieler erwartet werden – Sichtblenden sind nicht vorgesehen.