Bewegung im Spartheater

■ SPD und CDU drängen auf eine Kurskorrektur der Kahrs'schen Theaterpolitik/ Kentrup wäscht sich rein

Das Bremer Theater darf in diesem Jahr wohl doch mit den vereinbarten Subventionen rechnen. Zur Zeit bemühen sich die Kulturfachleute der Koalition um einen Ausweg, mit dem der drohende Vertragsbruch zwischen Stadt und Theater vermieden werden kann. Demnach soll das Sparkonzept, auf das sich CDU und SPD gerade vor vier Wochen geeinigt hatten, nach Möglichkeit wieder gekippt werden: Man wolle versuchen, „weitestgehend einzulösen, was im Vertrag steht“, erklärte Carmen Emigholz, die neue SPD-Sprecherin in der Kulturdeputation, gestern auf Anfrage der taz. Klar spricht sich bereits ihre CDU-Kollegin Elisabeth Motschmann für eine Rücknahme der Sparquote von drei Prozent aus: „Unsere Deputierten sind sich in diesem Punkt ganz einig.“

Damit richten sich die Mitglieder der Kulturdeputation vor allem gegen die Strategie der „Umverteilung“ in der Bremer Theaterlandschaft, die bisher von der Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) angestrebt wird. Motschmann: „Umverteilen kann nicht bedeuten, nur von der etablierten Kulturszene etwas in die freie Szene zu bewegen, sonst bekommen wir hier ein vergiftetes Klima.“ Das Kahrs-Modell sah bisher vor, die Shakespeare Company und das Junge Theater höher zu fördern, dafür beim Theater die zugesagte Haushaltssteigerung um drei Prozent einzubehalten. Zusammen mit der SPD hatte Motschmann diesem „Theaterfinanzierungsmodell“ vor Weihnachten noch zugestimmt. Ein Fehler, sagt sie jetzt: „Wir haben nicht richtig eingeschätzt, welchen Streit diese Entscheidung unter den Theatern ergeben würde.“

Wie dem Bremer Theater (Subventionen 1995: 41,7 Millionen Mark) doch noch die zugesagte Steigerung bezahlt werden kann – darüber zerbrechen sich SPD und CDU allerdingsnoch die Köpfe. „Vielleicht ist es möglich, aus dem WAP noch mehr fürs Bremer Theater herauszuholen“, so Emigholz. Wenn das bis zur entscheidenden Haushaltssitzung der Kulturdeputation Anfang Februar gelingt, dürfte das Modell der Senatorin mit großer Mehrheit gekippt werden. Die Grünen hatten den Sparkurs in der letzten Woche ohnedies als „unakzeptabel“ bezeichnet. Daß die neue Senatorin durch die Kursänderung der Deputierten wohl düpiert wird, quittiert ihre Rivalin Motschmann mit Achselzucken: „Ich kann gar nicht so schnell Sandsäcke werfen, wie sie sich ungeschickt anstellt.“

Dabei dürfen die Kulturdeputierten auf breite Unterstützung aus der Theaterszene hoffen. Gegen die Kahrs-Linie wetterten gestern auch die Vertreter der freien Bühnen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Theater am Leibnizplatz. Für die Einhaltung der Verträge am Bremer Theater und natürlich auch für eine Erhöhung des gesamten Kulturetats sprachen sich Michael Derda vom Waldau-Theater, Rainer Lippelt vom Schnürschuhtheater, und Ralf Knapp vom Jungen Theater aus. Knapp wies darauf hin, daß schon der Begriff „Umverteilung“, manipulativ sei, weil es sich doch real um eine Kürzung des Kulturhaushaltes handele. Deutlich wurde aber auch, daß es unter der Oberfläche unterschiedliche Sichtweisen gibt.

Tenor der Freien: Von Streit keine Spur, alle sind solidarisch und an den Gerüchten über einen Intendantenwechsel sei nichts dran. Nach den Kontroversen, die in den letzten Tagen um das Gerücht ausgebrochen waren, der Shakespeare-Chef Norbert Kentrup wolle im Theater am Goetheplatz Intendant werden, hißte man jetzt die weiße Flagge. So wichtig schien Norbert Kentrup die weiße Weste, daß er zum Pressekonferenz zwei Beglaubigungsschreiben beibrachte, die seine Unschuld beteuern und die ihm unterstellten Machtgelüste zerstreuen sollten. Die Ex-Kultursenatorin Helga Trüpel und Bringfriede Kahrs unterzeichneten eine Erklärung, nach der sich Kentrup nie als Intendant beworben habe.

Die unterschiedlichen Positionen zwischen Kentrup und Intendant Pierwoß aber wurden auch gestern nicht zurückgenommen. Kentrup hatte schon am 3. 12. bei der Protestveranstaltung im Theater am Goetheplatz getönt, man habe „nicht das geringste Interesse, eine blinde Solidarität mit einem überkommenen Theatersystem mitzutragen.“ Solche Statements und der Redestil der Senatorin Kahrs fachten den Unfrieden an. Allerdings sieht Kentrup die Ursachen auf der gegnerischen Seite. „Pierwoß versucht zu konstruieren, daß ich mit der Kahrs kungele; das ist eine Dummheit“, erklärte er gestern.

Pierwoß selbst sieht den Sachverhalt naturgemäß aus seiner Perspektive und verbietet sich die Einmischung in Belange des Theaters. „Ich halte es für ein Gebot der Stunde, sich mit zu vielen gutgemeinten Ratschlägen über den Nachbarn zurückzuhalten“, sagte er gestern auf Anfrage. Im Wesentlichen aber habe sich die Stimmung zwischen dem Goetheplatz und dem Leibnizplatz beruhigt. „Wenn wir uns treffen, haben wir die Kalaschnikows nicht mehr aufeinander gerichtet.“ tw/rau