Die Große Koalition will den Sozialabbau

■ CDU und SPD wollen hauptsächlich an Sozialleistungen sparen, um den öffentlichen Dienst zu verschonen

Die Koalition von CDU und SPD hat harte Einschnitte im Sozialbereich beschlossen. Dies geht aus einer Einsparliste hervor, die Teil der Koalitionsvereinbarung ist und der taz vorliegt. Noch in diesem Jahr sollen die sogenannten konsumtiven Ausgaben von 15 Milliarden Mark um fast ein Fünftel auf knapp 12,5 Milliarden Mark gekürzt werden. Neben den Sachausgaben der Verwaltung (5 Milliarden Mark) sind davon auch die „Zuschüsse an sonstige Bereiche“ (10 Milliarden Mark) betroffen, von denen unter anderem soziale Einrichtungen, ABM-Projekte, Familienbeihilfen und Privatschulen finanziert werden.

Die Liste mit dem Namen „Strukturelles Konsolidierungsprogramm“ soll bis Ende des Jahres 1999 Einsparungen in Höhe von 23,1 Milliarden Mark bringen. Damit will die Koalition verhindern, daß die Schulden Berlins von heute 50 Milliarden Mark bis Ende 1999 auf mehr als 70 Milliarden Mark steigen. Denn dann könnte Berlin die fälligen Zinsen nicht mehr aus eigener Kraft zahlen.

Die Liste sieht bis 1999 folgende Kürzungen vor:

Personalkosten im öffentlichen Dienst fallen von 60 Milliarden Mark auf 58,9 Milliarden Mark,

– die konsumtiven Ausgaben fallen von ebenfalls 60 Milliarden Mark auf 50 Milliarden Mark,

– die Investitionen von schätzungsweise 20 Milliarden Mark fallen auf 13,5 Milliarden Mark.

Andererseits sollen die Einnahmen erhöht werden. Der Verkauf von Landesvermögen soll 4 Milliarden Mark bringen, und die Erhöhung der Gewerbesteuer ab 1998 700 Millionen Mark.

Weil die Verfassung vorschreibt, daß die Höhe von Krediten die Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten darf, verstößt die Koalition 1996 und 1997 gegen dieses Gebot. Dieses Jahr will die Koalition eine halbe Milliarde mehr Schulden machen, als sie für Bauprojekte ausgibt.

Die Berliner werden die Kürzungen der „konsumtiven Ausgaben“ in folgenden Einrichtungen, bei Angeboten und Hilfen zu spüren bekommen: Die Zuschüsse an Privatschulen werden bis 1999 um insgesamt 52 Millionen Mark gekürzt. Einrichtungen der ambulanten und stationären Versorgung müssen 120 Millionen Mark herausrücken, die Universitäten mehr als eine Viertelmilliarde, Kulturprojekte, Theater, Opern und Konzerthäuser 400 Millionen Mark, die BVG mehr als eine halbe Milliarde Mark. In den Bezirken sollen die Kitas einen elften Monat berechnen und so zusätzlich 48 Millionen Mark erwirtschaften. Bei den Heimkosten für Jugendliche und Kinder sollen 90 Millionen gespart werden, im Unterbringungsbereich der Sozial- und Jugendämter soll eine Milliarde Mark gekürzt werden.

Die Schwerpunkte bei den Sparmaßnahmen widersprechen der Präambel der Koalitionsvereinbarung. Dort heißt es: „Wir wollen die Familie stärken, eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung sichern, unsere älteren Mitbürger sozial absichern und den Menschen mit Behinderungen gerechte Chancen geben.“ Noch zu Beginn der Verhandlungen waren sich CDU und SPD einig, daß bei den Personalkosten 4 Milliarden Mark gespart werden müßten. Dirk Wildt