Troy Aikman hatte großen Spaß

Vor allem dank ihrer Stars Aikman, Smith und Irvin erreichten die Dallas Cowboys durch ein 38:27 gegen Green Bay die SuperBowl Nummer XXX  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Als die Green Bay Packers nach ihrem grandiosen Sieg bei den San Francisco 49ers vor einer Woche nachts um eins in ihre kleine Stadt am Lake Michigan zurückkehrten, wurden sie am Flughafen von 8.000 begeisterten Menschen empfangen, die teilweise stundenlang bei Minustemperaturen auf ihr Footballteam gewartet hatten. Im ganzen Ort hatten die Leute Kerzen auf die Veranden gestellt, um jene Mannschaft zu begrüßen, die drauf und dran war, an die glorreichen Zeiten in den 60erJahren anzuknüpfen, als der ländliche „Käsestaat“ Wisconsin der Nabel der Footballwelt war. Damals gewannen die Packers mit ihren inzwischen fast mythischen Protagonisten, Coach Vince Lombardi und Quarterback Bart Starr, sechs Meisterschaften, darunter die beiden ersten SuperBowls 1967 und 1968. „Titletown“ wurde Green Bay damals genannt, und es entstand die Legende, daß jedes Kind, dem es gelingt, einen Spieler der Packers zu berühren, in den Himmel kommt.

Zum ersten Mal seit der Ära des 1970 verstorbenen Lombardi erreichten die Green Bay Packers in diesem Jahr wieder das Finale der NFC-Conference, zuletzt meist eine Art vorweggenommenes Endspiel. Hätten sie auch noch den Einzug in SuperBowl XXX am 28. Januar in Tempe, Arizona, geschafft, wären sie am Flughafen wohl von der Gesamtbevölkerung des 100.000-Seelen-Städtchens empfangen worden und hätten mehr blaue Flecke durch Kinderhände davongetragen als von seiten ihrer Gegenspieler während der gesamten Saison. Doch unglücklicherweise fand das Spiel in Dallas statt. Dort, im Texas Stadium, hatten sie die letzten fünf Partien gegen die Dallas Cowboys glatt verloren, und zusätzlich erschwert wurde die Sache dadurch, daß die Texaner besonders dann groß aufspielen, wenn es um die Wurst geht. Allen voran Troy Aikman.

„Trainingscamp, Vorbereitung und reguläre Saison sind eine Plage“, sagt der Quarterback der Cowboys, „wenn du in den Play- offs bist, beginnt der Spaß.“ Mit Aikman hat Dallas erst ein Play- off-Match verloren – letztes Jahr gegen San Francisco –, von 294 Paßversuchen in neun Spielen kamen 203 an. „Er ist der Quarterback, den du haben mußt, um die SuperBowl zu erreichen“, sagt Klubbesitzer Jerry Jones, und das Match gegen Green Bay bestätigte ihn auf ganzer Linie.

Zwar spielten die Cowboys, deren Coach Barry Switzer während der Saison wiederholt wegen taktischer Fehlgriffe kritisiert worden war, diesmal wie aus einem Guß, warf sich Running Back Emmitt Smith einem wütenden Nilpferd gleich in die gegnerischen Blöcke und irrlichterte Wide Receiver Michael Irvin pfeilschnell durch die Abwehrreihen, doch all das hätte gegen die bärenstarken Packers nichts genutzt, wenn Aikman nicht das Duell der Quarterbacks für sich entschieden hätte. Mit seinem ruhigen, furchtlosen und variablen Spiel inszenierte er lange Angriffszüge und zermürbte systematisch die Abwehr der Packers, die erheblich länger auf dem Feld stehen mußte als jene der Cowboys. „Er versucht nicht, nach links oder rechts auszuweichen“, sagt Switzer. „Er steht einfach da und spielt den Ball, auch wenn er weiß, daß sie die Hölle aus ihm raushauen.“

Brett Favre, der 26jährige Green-Bay-Spielmacher, hatte eine große Saison gespielt, war zum wertvollsten Spieler (MVP) der NFL gewählt worden und hatte vor dem Spiel in Dallas 164 Pässe geworfen, ohne daß ein einziger abgefangen wurde. Dies änderte sich im Texas Stadium bereits im ersten Viertel, als er das Ei genau in die Arme des Cowboys Leon Lett warf. Favres Stärke, seine Pässe auch im vollen Lauf und unter Bedrängnis an den Mann bringen zu können, wurde ihm jetzt zum Verhängnis. Während Aikman den Ball in schwierigen Situationen lieber ins Aus warf, vertraute der Packers-Quarterback auf sein magisches Händchen und erlebte zehn Minuten vor Ende der Partie sein Debakel. Beim Stande von 27:31 endete ein vielversprechender Angriffszug des Teams aus Wisconsin, als ein weiterer von Favres Würfen bei den Cowboys landete und dem nunmehr unaufhaltsamen Emmitt Smith seinen dritten Touchdown zum 38:27 ermöglichte. Danach verlor Brett Favre völlig die Nerven, brachte kaum noch einen Ball zum eigenen Mann und wurde mehrfach zu Boden gestreckt. Coach Mike Holmgren scheute sich jedoch, den erfahrenen Ersatz-Quarterback Jim McMahon aufs Feld zu schicken. Einen MVP wechselt man nicht aus, auch wenn einem das Wasser bis zum Halse steht.

Schon Minuten vor dem Ende begannen die Dallas Cowboys ihren Einzug in die SuperBowl gegen die Pittsburgh Steelers, welche die Indianapolis Colts glücklich mit 20:16 bezwangen, zu feiern, während die „Cheeseheads“ auf den Tribünen enttäuscht ihre käseförmigen Hüte einpackten und traurig den Heimweg nach Wisconsin antraten. Eine erkleckliche Zahl von Fans dürfte die Green Bay Packers dennoch auch diesmal am Flughafen erwartet haben, denn die über drei Viertel des Matches imponierende Vorstellung des relativ jungen Teams berechtigt durchaus zu Hoffnungen, daß der Name Titletown schon bald wieder einen aktuelleren Bezug bekommen könnte.