Konfrontation oder Toleranz

■ Die Geschichte hat die bosnischen Kroaten tief gespalten. In Mostar sitzen die Hardliner, bislang unterstützt von Zagreb

Mostar (taz) – Keine Entwarnung für Mostar. Nach den blutigen Zwischenfällen der vergangenen Wochen bleibt die Stimmung zwischen Muslimen und Kroaten in der Stadt explosiv. Die Kroaten in Mostar bestehen weiterhin auf einer strikten Teilung der Stadt. Im Hörfunk lehnte der kroatische Bürgermeister, Mijo Brajković, eine Vereinigung Mostars rundweg ab. Dies habe er am Wochenende auch gegenüber Außenminister Kinkel bekräftigt, sagte Brajković. Aber nicht alle Kroaten in Bosnien-Herzegowina teilen diesen Standpunkt.

Während die Mehrheit der Kroaten um Mostar in der Westherzegowina hinter dem Konfrontationskurs ihrer Führung steht, suchten die bosnischen Kroaten in Zentral- und Nordbosnien bislang eher den Ausgleich mit den Muslimen. Vor allem die katholische Kirche unter Kardinal Vinko Puljić, dem früheren Erzbischof von Sarajevo, mag dem Konfrontationskurs der Kroaten in Mostar nicht folgen.

Es ist jedoch nicht nur die aktuelle Politik, die Gräben zwischen den Kroaten Bosnien-Herzegowinas aufgeworfen hat. Es gibt eine Reihe historischer Gründe und Erfahrungen, die zwei grundsätzlich unterschiedliche Positionen der Kroaten Bosniens hervorgebracht haben. Während die rund 170.000 Kroaten in der Westherzegowina über 90 Prozent der Bevölkerung stellen und zudem direkten Kontakt zur dalmatinischen Küste, dem kroatischen Hinterland, besitzen, leben oder lebten die meisten der 600.000 zentral- und nordwestbosnischen Katholiken seit der Eroberung Bosniens durch das Osmanische Reich im 15. Jahrhundert zerstreut zwischen Muslimen und Orthodoxen. Lediglich um die Franziskanerklöster in Kresovo, im Tal der Bosna und im Tal der Lasva zwischen Travnik und Kiseljak konnten sich größere geschlossene kroatische Siedlungsgebiete halten. Auch am Posavinakorridor dominierten bis vor dem Krieg die Kroaten.

Sowohl die Posavina- wie die zentralbosnischen Kroaten leben im Gegensatz zu den westherzegowinischen Kroaten in einem multiethnischen Umfeld, das auch während der osmanischen Herrschaft von der Toleranz gegenüber den anderen Religionen geprägt war. Befördert wurde dieses Bewußtsein durch die aufgeklärte und tolerante Haltung der zentralbosnischen Franziskaner, die bis heute an dem Modell eines multiethnisch verfaßten bosnischen Staates festhalten. Die westherzegowinische Bevölkerung dagegen war während des Osmanischen Reiches als Bevölkerung des Grenzlandes zum habsburgisch beherrschten Kroatien vielen Unterdrückungen durch den osmanischen Staat ausgesetzt. Während die zentralbosnischen Kroaten – die sich bis vor dem Krieg nicht als Kroaten, sondern als bosnische Katholiken definierten – ein gutes Verhältnis zu den bosnischen Muslimen entwickeln konnten, war die Westherzegowina ständigen Abwehrkämpfen gegenüber den „Türken“ ausgesetzt.

Bis heute drücken sich diese verschiedenen Grundhaltungen politisch aus: die westherzegowinische Bevölkerung strebt in ihrer Mehrheit eine Vereinigung mit Kroatien an. Ihre Repräsentanten behaupten von sich, die besten kroatischen Nationalisten zu sein. Die Westherzegowina ist in der Tat die Wiege der Ustascha. Selbst die westherzegowinischen Franziskaner unterstützen den kroatischen Nationalismus und die Abgrenzung von Bosnien, die schließlich in der Politik der „ethnischen Säuberungen“, das heißt der Vertreibung der Muslime und Serben aus den Randgebieten der Westherzegowina mündete. Die zentralbosnischen Kroaten hingegen wollten in ihrer Mehrheit Konfrontationen mit den anderen Bevölkerungsgruppen vermeiden. Sie können ihr Überleben nur in einem toleranten Umfeld sichern.

Mit dem Krieg in Bosnien wurden seit 1992 die Gewichte zwischen diesen beiden Strömungen verschoben. Während die Westherzegowina relativ unbeschadet aus dem Krieg hervorging, haben die Kroaten in Zentralbosnien und der Posavina einen hohen Preis für den Konfrontationskurs der Westherzegowinaführung bezahlen müssen. 1993/94 zwangen die Westherzegowiner die Kroatengebiete Zentralbosniens in den sinnlosen Krieg mit den Muslimen und in das von ihnen selbst proklamierte staatliche Gebilde „Herceg-Bosna“. Die Politik der ethnischen Säuberungen durch die bosnisch-kroatischen Truppen HVO wurde zum Bumerang. Vor allem im Tal der Bosna, in der Region um Vareś, in Travnik und Bugojno wurden Kroaten vertrieben. Am Posavinakorridor mußten 150.000 Kroaten serbischen Extremisten weichen.

Erst mit der Gründung der bosnisch-kroatischen Föderation im März 1994 konnten die zentralbosnischen Kroaten etwas an Einfluß zurückgewinnen. Politiker wie Ivo Komsić in Sarajevo und der ehemalige Präsident der Föderation der zentralbosnischen Kroaten, Kresimir Žubak, versuchten den Einfluß der Westherzegowiner zurückzudrängen. In Zagreb aber fanden diese Stimmen nur wenig Gehör. Der kroatische Präsident Franjo Tudjman stand bislang hinter dem harten Kurs der Westherzegowiner. Die kroatischen Gebiete im Posavinakorridor überließ er dagegen in Dayton sogar den bosnischen Serben, sehr zum Mißfallen vieler Kroaten.

In Mostar soll die muslimisch- kroatische Föderation zu Grabe getragen werden. Die Kroaten in der Westherzegowina suchen einen ganz anderen Ausgleich, den mit den serbischen Extremisten in Pale. Erich Rathfelder