: Südafrika verkauft Fluglinien später
Gewerkschaftsverband Cosatu verzichtet auf Generalstreik. ANC-Regierung setzt auf Marktwirtschaft. Parteibasis ist erstaunt. Drei Prozent Wachstum und sinkende Inflation ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler
Der südafrikanische Gewerkschaftsverband Cosatu hat einen ursprünglich für heute anberaumten landesweiten Generalstreik abgesagt. Hintergrund der jetzt gestoppten Massenaktion sind Auseinandersetzungen zwischen der südafrikanischen Regierung und den Gewerkschaften über die geplante Teilprivatisierung von Staatsbetrieben, die weiterhin bestehen. Allerdings haben sich Regierungs- und Gewerkschaftsvertreter bei einem Treffen in Johannesburg am Wochenende darauf geeinigt, vorerst den Verhandlungsweg zu gehen. Cosatu, ohnehin der Unterstützung seiner Basis nicht sicher, setzte lieber auf Nummer sicher und sagte den Generalstreik vorerst ab.
Wie eine Cosatu-Sprecherin gestern gegenüber der taz erklärte, bedeute dies aber nicht, daß Cosatu seinen Kurs geändert habe und jetzt mit der Privatisierung einverstanden sei. „Wir sind immer noch strikt gegen Privatisierung, haben uns aber mit der Regierung geeinigt, erst über Inhalte zu sprechen, ehe wir über neue Streikmaßnahmen nachdenken.“ Die offizielle Sprachregelung, auf die sich beide Seiten jetzt geeinigt haben, lautet „Neustrukturierung“ von Staatsbetrieben. Dahinter verbirgt sich ein heftiger Disput um Südafrikas Tafelsilber, der Mitte Dezember – kurz vor der südafrikanischen Sommerpause – begonnen hatte. Damals hatte Vizepräsident Thabo Mbeki (ANC) angekündigt, daß die Regierung beschlossen habe, Teile der staatlichen südafrikanischen Fluglinie „South African Airways“ und der „Telkom“ zu verkaufen. Der Beschluß sollte der erste einer ganzen Reihe von Schritten sein, die Staatsbeteiligung an Betrieben und damit den nationalen Schuldenberg zu reduzieren. Unmittelbar danach sollte mit der Suche nach privaten Investoren begonnen werden, allerdings versicherte Mbeki in seiner Ankündigung, die Regierung wolle die Mehrheit in den Betrieben halten. In weiteren Schritten sollen zwei kleinere staatliche Fluglinien, „Sun Air“ und „Transkei Airways“, komplett veräußert werden. Außerdem sollen andere halbstaatliche Betriebe wie die Bahn „neustrukturiert“ werden.
Die betroffenen Einzelgewerkschaften und auch Cosatu gingen nach dieser Ankündigung sofort auf die Barrikaden und drohten mit landesweiten Streiks. Dabei kommen die Ankündigungen der Regierung nicht ganz so überraschend, wie es die Gewerkschaftsseite darstellt. Schon in seinem Wahlprogramm hatte der ANC angekündigt, Staatsbetriebe neu zu strukturieren. Und auch seit der ANC mehrheitlich regiert, läßt er das marxistische Vokabular liegen und fährt einen marktwirtschaftlichen Kurs. Der Erfolg scheint dem ANC recht zu geben: Südafrika konnte im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent verzeichnen, und die Inflationsrate sank zum ersten Mal seit zwanzig Jahren.
Außerdem ist im vergangenen Jahr die Zahl der Streiktage drastisch zurückgegangen, was vor allem der Tatsache zu verdanken ist, daß in vielen Fällen auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zwischen Regierung und Gewerkschaften gefunden werden konnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen