Falsche Trauer bei der CDU

■ Die CDU zeigt sich unzufrieden über die Koalitionsverhandlungen - aus Taktik

Wer Diepgen und Landowsky in diesen Tagen reden hört, muß denken, die CDU hat an dem ausgehandelten Koalitionsvertrag schwer zu knabbern. CDU-Fraktionssprecher Markus Kauffmann weiß auch, warum. Die CDU habe mit Kultur und Wirtschaft zwar zwei Ressorts dazubekommen, aber mit Gesundheit, Denkmalschutz, Schule und Sport vier abgeben müssen. Unter Beachtung des Wahlergebnisses von 37,3 Prozent für die CDU und 23,4 Prozent für die SPD hätten die Sozialdemokraten deswegen überproportional gut abgeschnitten.

Tatsächlich aber deutet vieles in der CDU darauf hin, daß man über das Koalitionsergebnis hochzufrieden ist – die Freude nach außen aber verbergen will, um nicht den Kritikern der SPD vor dem heutigen Parteitag unnnötige Argumente für Nachverhandlungen zu liefern. In CDU-Kreisen heißt es hinter vorgehaltener Hand sogar, daß allein die Forderung der Sozialdemokraten nach einer Neuverteilung der Ressorts den Verhandlungserfolg der CDU-Delegation belege. „Niemand hat damit gerechnet, daß die SPD erneut auf Inneres oder Finanzen verzichtet und zusätzlich das wichtige Ressort Wirtschaft abgibt“, sagt ein Insider.

Fraktionssprecher Markus Kauffmann läuft wiederum auf den Fluren des Abgeordnetenhauses herum, um allgegenwärtig gegen Äußerungen dieser Art vorzugehen. „Selbst wenn die SPD acht Senatoren stellen würde und die CDU zwei, würde die SPD-Linke noch Nachverhandlungen fordern“, sagt er. Deshalb seien plötzliche Forderung der SPD nach Nachverhandlungen allein kein Beleg dafür, daß die CDU um so vieles besser abgeschnitten habe als die Sozialdemokraten. Kauffmann erinnert dann allzugern daran, daß die CDU entgegen allen ihren Beschlüssen einer Gewerbesteuererhöhung ab 1998 zugestimmt habe.

Doch so unzufrieden, wie sie tut, kann die CDU darüber nicht sein. Zumindest fiel der angekündigte Widerstand der Mittelstandsvereinigung im Landesausschuß der CDU am Montag abend so schwach aus, daß CDU-Sprecher Matthias Wambach davon ausging, auf dem heutigen CDU-Parteitag werde ein ursprünglich angekündigter Antrag gegen die Gewerbesteuererhöhung nicht mehr gestellt. Allein die Zeit, die für den Parteitag eingeplant ist, verrät, wie pudelwohl sich die CDU derzeit fühlen muß. Der Parteitag beginnt um 19 Uhr im Roten Rathaus und soll bereits nach drei Stunden zu Ende sein. Die SPD tagt in der Kongreßhalle am Alexanderplatz bereits ab 17 Uhr, und Organisatoren erwarteen ein Ende erst kurz vor Mitternacht.

Auch die nachträglichen Abstimmungen in den Gremien deuten auf eine große Zufriedenheit hin. Im knapp 30köpfigen Landesvorstand der CDU gab es keine einzige Gegenstimme gegen den Vertrag, im knapp 90köpfigen Landesausschuß jeweils nicht einmal zehn Gegenstimmen und Enthaltungen. Dirk Wildt