Medienzar Berlusconi steht vor Gericht

Trotz aller Verzögerungsmanöver beginnt heute sein Prozeß wegen Bestechung von Finanzbeamten  ■ Aus Rom Werner Raith

Der Aushang vor dem Großen Gerichtssaal des Mailänder Landgerichts ist unscheinbar: „Gegen Arces und zehn weitere Angeklagte“.

Arces ist ein kleiner Feldwebel der für Steuerüberprüfungen zuständigen Finanzwache und keineswegs eine notorische Persönlichkeit im Korruptionssumpf. Doch Italiens Gerichtswesen sieht bei der Benennung der Verfahren nur den Namen des alphabetisch Ersten und die Zahl seiner Mitangeklagten vor, und dort, bei den zehn weiteren Namen, stehen dann die Berühmtheiten: Berlusconi, Paolo; Unternehmer und Eigner der Tageszeitung Il Giornale; Berlusconi, Silvio, Unternehmer und Eigner des Großkonzerns Fininvest mit den größten italienischen Privat-TV-Stationen sowie allerlei Handelsketten, Baufirmen und Finanzierungsinstituten; Ricci, Alfredo und Zuccotti, Vincenzo, Manager verschiedener Fininvest- Firmen; Sciascia, Salvatore, Finanzvorstand der Holding; dazu außer Arces noch weitere vier Finanzwächter, die Feldwebel Nanocchio und Capone, Oberst Tripoldi und ein leibhaftiger General, Giuseppe Cerciello.

Schließlich, inmitten dieser illustren Gesellschaft, gibt es noch einen bis vor kurzem eher unbekannten Rechtsanwalt, Massimo Maria Berrutti. Er soll laut Anklageschrift eine Art Koordinator beim Verschleiern der unsauberen Machenschaften gewesen sein. Von ihm wird es vor allem abhängen, ob Silvio Berlusconi sich weiterhin als unwissender, von seinem Mitarbeitern (einschließlich seinem geständigen Bruder) im unklaren gelassener Unternehmenschef präsentieren kann. Oder ob die Grundannahme seiner Ankläger doch zutrifft, daß bei Bestechungsummen in solcher Höhe – insgesamt umgerechnet mehrere hunderttausend Mark – der Chef gefragt wurde.

Das Szenarium, das die Staatsanwälte Colombo und Davigo vortragen werden, ist in sich recht schlüssig und mit allerlei nur schwer widerlegbaren Beweisen versehen. Drei der fünf Finanzwächter haben bereits eingeräumt, Geld von Fininvest-Managern erhalten zu haben, um anstehende Überprüfungen „möglichst zügig“ zu erledigen. Das Erstaunliche zunächst: die Finanzbeamten hatten gar nichts Auffälliges entdeckt, es handelte sich um eine Routineüberprüfung. Offenbar war ihnen aber auch die Bestechung und deren Höhe nicht einmal suspekt: „Das hat es auch anderswo gegeben, daß man uns Geld zusteckte, damit wir möglichst schnell machten und den Betrieb im Hause nicht lange aufhielten“, berichtete etwa Feldwebel Francesco Nanocchio.

Insofern wäre nach deutschen Recht in etwa Vorteilsnahme gegeben, also die Annahme von Zuwendungen ohne Verletzung der Dienstpflicht, und seitens der Berlusconi-Manager nur Vorteilsgewährung. Doch was die Ermittler, die hinter die Schmiergeldzahlungen kamen, plötzlich stutzig machte, waren die Aktivitäten von Anwalt Berrutti: Der setzte plötzlich alle Hebel in Bewegung, die relativ harmlose Sache zu vernebeln. Einmal in Trab gekommen, duchforsteten die Mailänder Ermittler die Fininvest-Konten landauf, landab sowie im Ausland und stießen dabei auf eine Reihe von Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen, die auf das Anlegen ansehnlicher schwarzer Kassen schließen ließen. So kamen sie etwa auf mehrere Millionen Franken auf Schweizer Banken und eine Reihe verdächtiger Geldflüsse in anderen Ländern.

Berlusconi wird allerhand Mühe haben, das alles als Vorgänge hinter seinem Rücken zu erklären. Vor allem, weil er sich damit ja auch als miserabler Firmenchef ausweisen würde, dem Millionenverschiebungen in seinem Imperium offenbar nicht aufgefallen sind – ein riskanter Kontrast zu seinem auch in der Politik gepflegten Image des erfolgreichen, umsichtigen, unfehlbaren Unternehmers.

So hatte er zunächst alle Hebel in Bewegung gesetzt, den Prozeß immer weiter zu verschleppen: Seine Anwälte widersetzten sich bis zu den letzten Instanzen der Schweizer Justiz einer Offenlegung der dortigen Konten, obwohl dort angeblich alles legal war. Dann wiederum versuchten sie, im Verein mit dem schlitzohrigen Finanzwachen-General Cerciello, den Prozeß aus Mailand wegzubekommen und nach Brescia zu verlegen, wo sie großzügigere Richter vermuteten.

Doch die Schweizer haben mittlerweile die verlangten Belege ausgeliefert, und die für Cerciello im vergangenen Jahr aus Kompetenz- Gründen genehmigte Verlegung des Gerichtsortes erwies sich als ein Bumerang. Das Gericht in Brescia verdonnerte den Beamten nämlich zu einer wesentlich höheren Strafe (sechs Jahre Haft), als die Mailänder gefordert hätten. Seither spricht auch in der Umgebung Berlusconis niemand mehr über eine Verlegung.

Der erste Tag des Prozesses wird aller Wahrscheinlichkeit nur eine Frage behandeln: die Dreherlaubnis fürs Fernsehen. Teams aus mehr als 50 Ländern haben Interesse angemeldet, Berlusconi und die Staatsanwaltschaft sind damit einverstanden. Doch um alle Kameras unterzubringen, müßte man den gesamten Gerichtssaal damit füllen. So wird wahrscheinlich, wie bereits in einem der vorangehenden Prozesse, nur die staatliche RAI drei Festkameras installieren und die Verscherbelung dann ans Privatfernsehen übertragen, das wiederum die Rechte an die Ausländer vergibt.

Die Firma, die dann wohl die Rechte von der RAI übernimmt, heißt Mediaset, und sie gehört dem Tycoon Silvio Berlusconi höchstpersönlich.