Die Grenzwerte der Annäherung

■ Der libanesische Weltmusiker Rabih Abou-Khalil gewichtet Rhythmus und Solo neu

Ob man will oder nicht, bei Rabih Abou-Khalils Musik tauchen Bilder träge dahinziehender Karawanen auf. Denn die Melodien der Soloinstrumente schlingen sich in einem endlosen Rhythmus dahin und drängen unaufhaltsam nach vorne. Abou-Khalils Instrument ist das Oud, eine Kurzhalslaute, die ähnlich wie eine akustische Gitarre klingt. Mal klingt sein Instrument volltönend in ausgeprägten Melodien, mal schlägt er es bei schnellen Läufen hart an und verwendet es wie ein Rhythmusinstrument.

In Khalils Stücken zeigt sich ferner, wie sich zwei so verschiedene Kulturen wie die westliche und die östliche beeinflussen können. Der Libanese Abou-Khalil weiß, wovon er spielt. 1978 floh er vor dem Bürgerkrieg aus Beirut, um in München Politik und klassische Musik zu studieren. Von einer vollständigen Verschmelzung zweier Musikstile ist er jedoch weit entfernt. Zu verschieden ist deren rhythmisches und harmonisches Konzept. Seine arabische Musik ist geprägt durch den für westliche Ohren fehlenden Wechsel der Harmonien. Die Improvisation der Solisten fußt auf dem Wechsel der Rhythmik, und nicht auf dem der Akkorde, wie in der westlichen Musik üblich.

Dennoch finden sich auch Elemente des Jazz in Abou-Khalils Musik. Seine letzte CD Sultan's Picnic, die mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurde, ist dafür ein gutes Beispiel. Abou-Khalil spielt hier zusammen mit dem syrischen Percussionisten Nabil Khalat, dem Exilkubaner Milton Cordona und dem New Yorker Schlagzeuger Mark Nauseef. Besonders Charlie Mariano (Saxophon) prägt neben Abou-Khalil die Stücke. Im Zusammenspiel dieser so verschiedenen Musiker treten immer wieder interessante Reibungen auf. So schwebt ein Solo Charlie Marianos über den ungeraden arabischen Rhythmen, die dem Hörer die gewohnte Orientierung des 4/4-Taktes versagen. Wäre das ganze eine Jazzband, hätte Charlie Mariano nichts zu fürchten: Bass und Schlagzeug würden sich seinem Solo unterordnen. Doch hier hat er nicht so leichtes Spiel. Der facettenreiche Rhythmus von Schlagzeug, Percussion und Nabil Khalats Rahmentrommel ist so faszinierend, daß er gleichgewichtig neben Marianos Saxophon steht: Ein Gleichgewicht, das die Grenze der Annäherung so verschiedener Musikkulturen beschreibt.

Uwe Scholz

Fr, 19. Januar, Fabrik, 21 Uhr