Cannabis statt Alk

■ Neu im Kino: „Halbmond“, eine düstere Kurzgeschichten-Adaption nach Motiven von Paul Bowles / Läuft jetzt im „Cinema“

Ein schäbiges Pensionszimmer in Tanger, eine enge Kabine auf einem brasilianischen Flußboot, ein sandiger Unterschlupf am Rande der Wüste. Der Schriftsteller Paul Bowles kann diese Orte so intensiv beschreiben und mit Emotionen aufladen, daß sich seine düsteren, existentialistischen Geschichten danach fast von selber erzählen. Genauso wirkt auch dieser Film der beiden deutschen Filmemacher Frieder Schlaich und Irene von Alberti, die hier drei Kurzgeschichten von Bowles kongenial adaptiert haben. Man mag sich vielleicht nach dem Film fragen, was da überhaupt erzählt wurde, so karg und lakonisch sind die Storys. Aber die Bilder, die Menschen und Stimmungen sind dafür um so eindringlicher. Man spürt die Hitze, die auf den Landschaften liegt. Die exotischen Drehorte wirken nie geschönt oder absichtsvoll spektakulär in Szene gesetzt. Deshalb ist Bowles ganz eigener Ton hier besser getroffen als in Bertoluccis „Himmel über der Wüste“, denn dieser war weniger an der Romanvorlage interessiert als daran, den ulimativen Film über die Wüste zu drehen. Schlaich und Alberti aber haben Bowles genau gelesen, und sich um genauste Werktreue bemüht. So ist der Film selbstverständlich an Originalschauplätzen (in Marokko, im brasilianischen Amazonas und in der Sahara) und mit einheimischen Darstellern gedreht. Bowles selbst war vom ersten Teil des Projekts, der vor zwei Jahren als Kurzfilm auf einigen Festivals gezeigt wurde, so angetan, daß er selbst bei dem Film mitarbeitete. So sieht man ihn auf seiner klapprigen Reiseschreibmaschine arbeiten, und er gibt jeweils kurze Einführungen zu den einzelenen Stories. Den ersten Teil stellt er uns als ein Lehrstück vor, mit dem er belegen wollte, daß „das Rauchen von Cannabis weitaus vernünftiger ist als das Trinken von Alkohol.“ Aber weit wichtiger als die Frage, ob eine marokkanische Schönheit sich für einen Trinker oder seinen kiffenden Freund entscheidet, ist die Art, wie die beiden jungen Männer miteinander umgehen, wie sie ihren Tag verbringen, wie es in ihren Zimmern aussieht. Auch von dem Ehepaar, das in der zweiten Geschichte eine unbequeme Schiffsreise in Brasilien macht, wird mehr durch Gesten und Details als durch Handlung und Dialog erzählt. Und die Verwandlung eines kleinen Jungen in eine Schlange wird in der letzten Geschichte als psychedelische Traumvision inszeniert. Der Film hat eine rätselhafte Schönheit, eine fatalistische und doch attraktive Tristesse. Man mag kaum glauben, daß solch ein unangestrengt sinnliches Debüt zwei Filmemachern aus Stuttgart gelungen ist.

Wilfried Hippen

Cinema tägl. 19 Uhr