Frau N.N. macht sich zum Obst Von Viola Roggenkamp

Passen Sie mal auf! Es wird jetzt ganz einfach. Also: Äpfel und Birnen. Die sollen nicht miteinander verglichen werden. So heißt es. Alte deutsche Volksweisheit. Sie stammt aus der Vorzeit des Diskurses über die Geschlechterdifferenz. Heute wissen wir, Meinungsumfragen, statistische Erhebungen innerhalb der Bevölkerung, der Blick auf die Menschen überhaupt macht nur dann Sinn, wenn wir Äpfel mit Birnen vergleichen und zwischen ihnen unterscheiden. Selbstverständlich unterscheiden sich auch Birnen voneinander. Jedoch besteht die Menschheit nicht nur aus Birnen, sondern aus Birnen und Äpfeln. Und ich bin immer wieder fassungslos, wenn ich lesen muß, daß diese simple Grunderfahrung menschlichen Daseins deutschen Meinungsforschungsinstituten nicht bekannt ist. Allen voran das nämliche Institut in Allensbach. Es steht der CDU nahe. Das muß noch kein Fehler sein. Ich möchte aber nicht verschweigen, daß diesem Institut ein Apfel vorsitzt, also eine Frau. Elisabeth Noelle-Neumann, die aus der Vorzeit der Bundesrepublik stammt und gegen jede Logik in ihren Umfragen stets Äpfel und Birnen zusammenzählt, als eine statistische Zwittergröße auswertet und unter die Leute bringt. Jüngstes Beispiel aus Allensbach: „Kein Pardon für Ladendiebe.“ Der Vorschlag der Grünen, man solle Ersttäter nicht bestrafen, werde „von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt“. Zwar unterscheidet Frau N.N. (noch) zwischen West und Ost. Sie ist oftmals sogar bereit, zwischen 16- und 65jährigen zu unterscheiden. Aber nicht zwischen Frauen und Männern. Ganz selten mal, wenn auch ihr der Charme der weiblichen Nebenlinie spürbar wird, läßt sie was durchblicken. Etwa bei der Frage: „Wenn der Kanzler eine Frau wär e...?“ 1.131 Befragte wurden zur abschreckenden Bestrafung des Ladendiebes ausgewertet. Den geschlechtsspezifischen kleinen Unterschied hält Frau N.N. dabei bedeckt. Unwichtig. Aber wer geht denn einkaufen im Supermarkt? Die Frauen doch. Und was sie da alles tun müssen? Das Gemüse selbst abwiegen. Damit der Herr Pro von der Gewerkschaft Frauenarbeitsplätze einsparen kann. Was tut die solidarische Hausfrau? Sie füllt fünf Birnen ins Plastiksäckchen, wiegt's ab, klebt das Preisschild drauf und läßt eine sechste leise nachrutschen. Sozusagen ihr Arbeitslohn. Nie wäre sie so töricht, einen Apfel mit Birnen zusammenzutun. Wie aber nun weiter? Die Waren muß sie vom Korb aufs Fließband packen und von dort in die Plastiktüten, dabei das Geld rausgeben, möglichst gut abgezählt, und daß mir das aber zack, zack geht, denn die nächste Kundin wartet schon. Kann da nicht endlich mal ein netter Lehrling hingestellt werden, um die Sachen für die Kundin sachgerecht einzupacken? Aber nein. Das würde den zwischenmenschlichen Streß aus der Beziehung nehmen. So sind die Deutschen, ob Äpfel oder Birnen! Pauschales Vorurteil, sagen Sie? Die Demoskopie nennt das Demoskopie. Gewiß haben Ostfrauen zu vielem eine andere Meinung als Westmänner. Gewiß ist es unwissenschaftlich, Äpfel und Birnen zusammenzuzählen. Aber ebenso gewiß ist, Frau N.N. kann es nicht anders. Daß Frauen eine eigene Meinung haben? Sogar dann, wenn sie die der Birnen teilen? Wäre doch einfach gut zu erfahren.