: Prügelnde Polizisten fühlen sich vorverurteilt
■ Acht Polizeibeamte stehen wegen der Mißhandlung von Vietnamesen vor Gericht
Franktfurt (Oder) (taz) – Mit juristischem Fingerhakeln hat gestern vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) das bisher größte Verfahren um Mißhandlungen von Ausländern in deutschem Polizeigewahrsam begonnen. Acht Polizisten aus dem brandenburgischen Bernau sind angeklagt, ihnen wirft die Staatsanwaltschaft unter anderem Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Aussageerpressung vor.
Über einen Zeitraum von einem Jahr sollen sie wiederholt mutmaßliche vietnamesische Zigarettenhändler festgenommen und in den Diensträumen der Wache schwer mißhandelt haben. Dabei war nicht einzelnen Beamten mal die Hand oder der Schlagstock „ausgerutscht“. Die Polizisten hatten ganz offenbar versucht, die Festgenommenen mit Gewalt und sadistischen Demütigungen zu Ausagen zu erpressen. Sie seien gezwungen worden, sich auf der Wache nackt auszuziehen, hatten im Sommer 1994 die erst nach langem Zögern aussagebereiten Opfer geschildert. Die Polizisten hätten auch gedroht, ihnen die Geschlechtsteile abzuschneiden, und sie dann im Beisein mehrerer Kollegen getreten und geschlagen.
Bestens gewappnet mit Verteidigern aus dem gesamten Bundesgebiet, juristisch behütet durch den Rechtsschutz ihrer Gewerkschaft, saßen die acht Polizisten gestern breitschultrig auf der Anklagebank. Und noch vor der Anklageverlesung versuchten die Verteidiger, das Verfahren zum Platzen zu bringen. Das Gericht, rügten sie, sei mit der Auswahl der Schöffen fehlerhaft besetzt. Vor allem aber hätten ihre Mandanten keine Chance auf ein faires Verfahren. Die zuständige Staatsanwältin Kerstin Langen habe während der laufenden Ermittlungen eine „unverantwortliche Medienkampagne“ möglich gemacht. So habe sie der Presse Ermittlungsergebnisse bekannt gegeben und dabei ausschließlich Belastendes publik gemacht. Auch die Dienstherrin der Bernauer Polizisten, Polizeipräsidentin Uta Leichsenring, habe in die Vorverurteilung eingestimmt, indem sie ihr Entsetzen über die Vorwürfe geäußert habe. Tatsächlich hatten die Staatsanwaltschaft und eine Sonderkommission die Anschuldigungen der vietnamesischen Opfer sehr ernst genommen und sie nach wiederholten Überprüfungen für glaubwürdig befunden. Ihre Zeugenaussagen wurden in richterlichen Vernehmungen festgehalten. Eine nötige Vorsichtsmaßnahme, wie sich gestern zeigte, denn zumindest einer der vietnamesischen Belastungszeugen wurde bereits in seine Heimat abgeschoben.
Sollte das Gericht am kommenden Dienstag die Auffassung der Verteidiger teilen, dann wäre die Situation – wie einer der Anwälte gestern beklagte – tatsächlich „irreparabel“. Der Versuch, einen der eklatantesten Fälle von Ausländerfeindlichkeit in der Polizei zu ahnden, wäre gescheitert. Vera Gaserow
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