In Frankfurt/Main muß sich ab heute Monika Haas vor Gericht verantworten. Die 47jährige soll im Oktober 1977 den Kidnappern die bei der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ benutzten Waffen überbracht haben. Als Kronzeugin wird die Palästinenserin Souhaila Andrawes Sayeh auftreten. Sie wurde 1995 an Deutschland ausgeliefert. Ihr droht als einziger Überlebender der Kidnapper wegen der Ermordung des Piloten der Prozeß.

Gerüchte, Intrigen, Mord, Terror, geheime Dienste und eine Blondine – das ist der Stoff, über den ab heute vor dem Frankfurter Oberlandesgericht verhandelt wird. Die 47jährige Monika Haas ist wegen versuchten Mordes, Flugzeugentführung und Erpressung angeklagt. Sie soll im Oktober 1977 Pistolen, Handgranaten und Sprengstoff nach Mallorca gebracht und an drei Männer und eine Frau des Palästinenser-Kommandos „Martyr Halimeh“ der PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) übergeben haben.

Diese entführten am 13. Oktober die Lufthansa-Maschine „Landshut“ mit 82 Passagieren und vier Besatzungsmitgliedern von Mallorca in die somalische Hauptstadt Mogadischu. Dort verlangten sie die Freilassung von RAF-Gefangenen in Deutschland und von zwei Palästinensern in der Türkei. Am 17. Oktober erschoß das Kommando bei einer Zwischenlandung den Flugkapitän, am 18. Oktober befreite eine Einheit der deutschen GSG 9 die Passagiere.

Monika Haas bestreitet ihre Beihilfe zur Flugzeugentführung seit Jahren vehement. Sie war 1975 als RAF-Sympathisantin, die politische Gefangene besucht hatte, im Libanon untergetaucht und hatte 1976 in Aden den PFLP-Führer Zaki Helou geheiratet. Seither war sie immer wieder Gegenstand der Beobachtung zahlreicher im Nahen Osten observierender Geheimdienste. Sie füllten ihre Berichte mit Klatsch und Tratsch über „Amal“, die „Die schöne Frau“, allen voran die Stasi.

Die Medien stilisierten sie zur Superagentin, die abwechselnd dem Bundesnachrichtendienst, dem Mossad, der Stasi und der PFLP zu Diensten gewesen sein soll. Haas klagte dagegen, gewann Zivilprozesse, vor allem gegen Spiegel und Spiegel-TV, und erreichte die Schwärzung ganzer sie betreffender Passagen in einem Buch des Rowohlt-Verlages.

Monika Haas selbst hatte sich, als sie Anfang der achtziger Jahre legal in die Bundesrepublik zurückkehrte, den bundesdeutschen Behörden gegenüber geweigert, über ihr Eheleben mit Helou zu plaudern, nannte diese Zeit aber in Interviews „die bravste und bürgerlichste in meinen Leben“. Das mag wohl auch daran gelegen haben, daß schon ihr allererster Auftrag 1976 als Fiasko endete, bei dem sie „Todesängste ausgestanden“ habe. Sie sei in Kenia, als sie einen Brief überbringen sollte, schon am Flughafen verhaftet worden und erst nach mehrtägigen Verhören wieder freigekommen.

Seither hatte sie auch in den eigenen Reihen lange unter Verdacht gestanden, diese Freiheit mit Verrat erkauft zu haben. Das muß die spröde Frau mit dem gradlinigen Charakter schwer gekränkt haben. Sie habe sich, sagte sie, danach bewußt ins Privatleben zurückgezogen, um nicht wieder verdächtigt zu werden. Sie holte ihren ältesten Sohn in den Jemen nach. Im Juli 1977 wurde eine Tochter geboren, drei Jahre später ein Sohn.

Monika Haas erzählt ihre Lebens- als Frauengeschichte jenseits von Terror, Abenteuer und Glamour. Sie habe in Aden das eher langweilige Leben der Ehe- und Hausfrau eines Berufsoffiziers geführt. Isolation, Hitze, materieller Mangel mögen den Alltag bestimmt haben, in dem es sie mehr beschäftigte, Waschpulver für die Kinderwindeln zu organisieren, als auch nur daran zu denken, Waffen zu schmuggeln. Während der „Landshut“-Entführung seien ihr die politischen Ereignisse in Deutschland und anderswo sehr fern gewesen. Die Zeit sei ihr nur deshalb so gut in Erinnerung, weil sie nach der Geburt der Tochter an einer Brustentzündung litt, einen Umzug bewältigen mußte und die Tochter lebensgefährlich an Durchfall erkrankte. Medikamente hätten heimlich und über Beziehungen beschafft werden müssen. Die Ehe scheiterte schließlich unspektakulär am bikulturelen Alltag.

Nach der Rückkehr in die Bundesrepublik holte Monika Haas das Abitur nach, fuhr Taxi und arbeitete, bis heute ungekündigt, als Sachbearbeiterin und Frauenbeauftragte in der Frankfurter Universitätsklinik. Daß die Stasi- Akten nun zur schlüpfrigen Grundlage der Anklage gegen sie geworden sind, ist zum nicht geringen Teil dem Enthüllungswahn konkurrierender Medien geschuldet. Spiegel und Spiegel-TV bekamen, wie auch immer, den „Operativen Vorgang“ (OV) „Wolf“ der Stasi in die Hände, in dem zusammengewürfeltes Material über das damals in Aden bespitzelte Ehepaar enthalten ist. Sie nahmen den Inhalt für wahr, warfen den deutschen Behörden vor, die Waffenlieferantin Haas gedeckt zu haben, und forderten sie nachgerade ultimativ zur Verhaftung der Frau auf.

Haas wurde festgenommen und wieder freigelassen, weil Stasi- Akten nach höchstrichterlicher Entscheidung als Beweismittel für eine Anklage nicht zulässig sind. Im November 1994 wurde sie dann wieder festgenommen – seither sitzt sie in Untersuchungshaft. Als Kronzeugin gegen Haas wurde im November 1995 die Palästinenserin Souhaila Andrawes Sayeh aus Norwegen nach Deutschland ausgeliefert. Ihr droht hier als einziger Überlebender des Kommandos „Matyr Halimeh“ wegen der Ermordung des Piloten der „Landshut“ der Prozeß.

Nach tagelangen erfolglosen Vernehmungen durch die norwegische Polizei und das deutsche Bundeskriminalamt in Oslo hatte sie Haas beschuldigt und Straferlaß durch die inzwischen verlängerte Kronzeugenregelung versprochen bekommen. Allerdings fühlt sich die in Hamburg inhaftierte Palästinenserin inzwischen von den Behörden als Werkzeug benutzt. Das sagte sie in einem Interview für den Film „Der lange Schatten von Mogadischu“, der gestern abend von der ARD ausgestrahlt wurde.

Monika Haas wurde indes unerwartet durch die Aussagen einiger RAF-Gefangener entlastet, die, erstmals in ihrer Geschichte, öffentlich eine Ehrenerklärung abgaben. Haas habe weder mit der Flugzeugentführung etwas zu tun gehabt, noch sei sie eine Verräterin. Monika Haas selbst sieht sich zum einen als Opfer einer aus Männerphantasien gesponnenen Medienkampagne. Zum anderen fand sie ihre Vermutung bestätigt, sie selbst solle ebenfalls als Kronzeugin auftreten und über ihre Zeit im Jemen berichten.

Ein solches Angebot, ließ sie wissen, sei ihr inzwischen inoffiziell von der Bundesanwaltschaft gemacht worden. Sie habe abgelehnt. Monika Haas erklärte, daß sie den Prozeß wolle, um die Vorwürfe gegen sie auszuräumen. Die Umkehr der Beweislast wird vom „Forum Monika Haas“ kritisiert, in dem sich Freundinnen, Feministinnen und WissenschaftlerInnen für die Frau engagieren. Heide Platen, Frankfurt