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: Mutter gegen Mutter

„Der lange Schatten von Mogadischu – Monika Haas und die RAF“ (Mittwoch, 21.45 Uhr, ARD)

„Ich will diese Situation nicht“, schwört Suhaila Andrawes, „in der zwei Mütter gegeneinandergestellt werden, um sich zu bekämpfen.“ Wer wollte daran zweifeln. Doch dann, als die Palästinenserin, die als einziges Mitglied des „Kommandos Martyr Halimeh“ 1977 den Sturmangriff der GSG 9 in Mogadischu überlebte, beteuert, für dieses Spiel der Bundesanwaltschaft werde sie sich „nicht benutzen lassen“, unterbricht sie ihr Anwalt Hajo Wandschneider. Er will, nur Stunden vor dem Prozeßbeginn gegen Monika Haas, nicht, daß sich seine innerlich zerrissene Mandantin vor einem Millionenpublikum festlegt.

Suhaila Andrawes soll die Kronzeugin sein im Verfahren gegen jene Frau, der die Bundesanwaltschaft vorwirft, dem „Kommando Martyr Halimeh“ vor über achtzehn Jahren in Mallorca die Waffen übergeben zu haben, die dann bei der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ eingesetzt wurden. Nur deshalb spürten deutsche Fahnder Andrawes 1994 in Oslo auf, vernahmen sie wochenlang und erzwangen schließlich ihre Auslieferung nach Deutschland. Sie ist die Marionette in diesem Spiel, das die Anklagebehörde nur zögerlich begann, um nun die Strippen um so verbissener bis zum voraussichtlich bitteren Ende zu ziehen.

Eduard Erne macht in seiner Reportage Geschichte – oder besser: (Lebens-)Geschichten – nachvollziehbar für die Nachgeborenen. Es ist der Versuch einer Geschichtsschreibung ohne Anspruch auf Objektivität, weitgehend aus dem Blickwinkel von Monika Haas, die vor ihrer Verhaftung zwölf Jahre ein „bürgerliches Leben“ lebte. Was Erne ohne jede Häme vermerkt. Auch die Bundesanwaltschaft will Geschichte schreiben, aber mit dem Anspruch auf die eine, die „objektive Wahrheit“. Das ist nun einmal so vor Gericht.

Einen Vergleich – zwischen „Müttern“ – sieht das Gesetz nicht vor bei Entführung und Mord. Eine von beiden wird lange hinter Gittern bleiben. Suhaila Andrawes, wenn sie im Gerichtssaal nicht wiederholt, was ihr in Oslo, nach Wochen des Brütens über der deutschen Kronzeugenregelung, einfiel. Monika Haas, wenn Andrawes, so der Autor, den „einen belastenden Satz im Tausch gegen viele Jahre Haft“ ausspricht. Eine Situation, die das Adjektiv teuflisch wirklich verdient.

Aber vielleicht kommt es ganz anders: Andrawes erhält den Kronzeugenbonus, weil sie spricht. Und Haas kommt frei, weil das Gericht der Kronzeugin nicht glaubt. Ernes beeindruckendes Dokument hat den Boden bereitet für diese wahrhaft weise Lösung. Dann hätte auch die Bundesanwaltschaft, was sie verdient. Und Stefan Aust.

P.S.: Eine Wahrheit gibt es nicht, in diesem Fall nicht einmal die der Herrschenden. Gerd Rosenkranz