Zwischen den Rillen
: Voodoo und Wasserbett

■ Feldforschung der imaginären Art: Ann Magnussons „The Luv Show“

Ann Magnusson hängt der ziemlich undankbare Ruf eines Beinahefilmstars an: Hauptrolle in der gefloppten Hollywood- Komödie „Making Mr. Right“, Rolle in der Sitcom „You Could Be Home Tonight“, zusammen mit Jamie Lee Curtis. Wenn schon die Mitschauspieler genannt werden müssen – oh, oh, das riecht nach dem süßen, schweren Duft des Scheiterns, der über dem Hollywood Boulevard schwebt wie psychedelische Autoabgase.

Nur diesmal kommt es anders. Nicht etwa, daß Ann Magnusson jetzt plötzlich doch die großen Leinwände weltweit bespielt, aber da ist noch diese andere Welt, in der der Beinahefilmstar singt, womöglich eigene Songs, für kleine Gagen in Clubs auftritt und sich mit dilettierenden oder perfekten und daher egotrippenden Begleitmusikern herumschlägt. „Talent is a vampire“, sang Ann Magnusson 1990 als Sängerin von Bongwater, ihrer Band mit dem monomanischen New Yorker Musiker und Produzenten Kramer. „Sie hatte Talent“, heißt der vampiröse Standard- Nachruf auf die Gescheiterte (und dann eben doch nicht Gescheiterte), die Ann Magnusson nun auf ihrer ersten Soloplatte impersoniert.

Der entscheidende Dreh an der ganzen Sache: Ann Magnusson nimmt mit diesem Album genau den Faden ihrer Text- und Singarbeit mit Bongwater wieder auf, der sich schon immer mit dem Motiv „Kleines Mädchen scheitert in der fremden Großstadt“ beschäftigte – und sie tut dies als eine Art Selbstversuch, als Feldforschung der imaginären Art. Vorsätzlich gelebte, authentische Parodie, die den Schmerz des Parodierten an sich heranläßt. Ausgerechnet in einem Stadium der potentiellen, auch populären Anerkennung als Soloperformerin redet Magnusson von sich und ihrem Scheitern in Form eines in zwei Akte geteilten Konzeptalbendramas, das ihren Weg von New York nach L.A. als B-Movie nachzeichnet, von den zurückgelassenen „Toten Motten“ (Songtitel) zu den „Wasserbetten Hollywoods“ (Songtitel).

Am Ende des ersten Akts, down and out in L.A., fragt Magnusson in „Live, you Vixen“ mit Hilfe eines Quija-Boards (eines okkulten Formelbretts) ihren alten Freund William um Rat. Und der sagt nur: „Lebe und liebe, Ann, du Füchsin“ und verrät ihr noch, daß das Quija- Board im Städtchen Salem gemacht wurde. Drei Songs zuvor hat der Teufel, ein Herr in Gestalt eines Nachtclubbesitzers, Ann auf eine Reise zurück in Pilgerzeiten zu eben diesem Ort Salem gebracht, wo im puritanischen Wahn Frauen als Hexen verbrannt worden waren. Unter den Augen von Ann wird die Verbrennung ihrer Mutter zum Splatter-Musical.

Die semischizophrene Selbstaufteilung zwischen Ann Magnusson, der Mainstream- Schauspielerin, und Ann Magnusson, der Underground-Performerin, spiegelt sich auf verblüffend eindeutige Weise in der Musik: Eingespielt bei zwei verschiedenen Sessions wird Ann Magnusson auf einem größeren Teil der Songs von einer L.A.-Garagenrockband begleitet, Künstler und Gegenkulturchronist Mike Kelley am Schlagzeug; auf dem kleineren Teil ist es ein New Yorker Easy- Listening-Ensemble im „Twin Peaks“-Sound, das professionell unaufgeregt zwischen Robert- Mitchum-Calypso, gefaketem Voodoo-Zauber-Soundtrack und Jazz-Kriminalfilmthemen deliriert. Der Eindruck drängt sich auf, daß entgegen früherer Annahmen des Mainstream/ Underground-Diskurses ausgerechnet der Garagensound für Hollywood und seine Jugendkultur-Appropriationen steht, während der aufgeräumte Partysound die postmodernen Phantomschmerzen des New Yorker Underground lindert. Verkehrte Welt, über der die graziöse, slicke Stimme von Little big AnnieFoto: MCA

Ann Magnusson transamerikanisch fliegt.

Jedoch, es sind mehr Stimmen als nur eine. Ann Magnusson ist Schauspielerin, und das zuallererst im von ihr selbst geschriebenen Drehbuch: Eine kastrierende „Manipulative Kennedyesque Celebrity Fucker“ zu sein, ist ihr so leicht wie die Rolle der sexbesessenen „Miss Pussy Pants“, aber Magnusson begnügt sich nicht mit einer „postfeministischen“ Reproduktion dieser Stereotypen.

Immer da, wo aus dieser Wolke von Schauspielerei ein Blitzstrahl der einfachen Stimmungsbeschreibung schießt, wie etwa in „L.A. Donut Day“, hat die Platte ihre besten Momente: Ein sonniger, bewölkter Tag im Los Angeles des Dauersmogs, und Ann fühlt sich lasiert wie ein Donut. Und das begleitende „Lalala“ ist das Lalala einer Depression.

Auf Ann Magnussons „The Luv Show“ schützt sich eigenes Involviertsein und eigene Depression halb vor dem Zugriff der Authentizitätsgier (geil, echter Frauenschmerz), halb wird beides gerade erst durch die parodistische Distanz kommunizierbar. Natürlich waren Bongwater-Platten bisweilen psychedelisch visionärer, aber ein schnelles B-Movie sagt nun mal manchmal mehr über das Showbiz als ein leckerer Avantgardefilm. Jörg Heiser

Ann Magnusson: „The Luv Show“

(Geffen/MCA)