■ Kohl und seine Union lehnen Ökosteuerreform weiter ab
: Der Kanzler muß weg!

Das schwere Schicksal der Arbeitslosen führten alle Koalitionsredner im Mund bei der gestrigen Bundestagsdebatte über Arbeit und Umwelt. Doch in der praktischen Politik haben Union und FDP entschieden, daß ihnen Ideologie und die Bedienung alter Machtkartelle über Reformen und neue Jobs gehen. Die ökologische Steuerreform, das Modernisierungsprogramm für die deutsche Wirtschaft, das bessere Lebensbedingungen, mehr Jobs und eine zukunftsfähige Industriestruktur verheißt, lehnten sie ab.

Vor allem aus wahltaktischen Motiven. Vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein sollen Bündnisgrüne und SPD als Steuerparteien hingestellt werden, die den gebeutelten Bürgerinnen und Bürgern das Geld aus der Tasche ziehen. Schließlich glaubt immer noch knapp die Hälfte der Bevölkerung, daß Ökosteuern allein zusätzliche Abgaben für einen hohen Energie- und Umweltverbrauch darstellen.

Ökonomisch ist die Debatte längst entschieden. Im Frühjahr 1994 hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet, daß eine ökologische Steuerreform im deutschen Alleingang rund 500.000 Arbeitsplätze zusätzlich schaffen würde. Anstrengungen der Industrie, ein renommiertes Institut zu einem expliziten Gegengutachten zu bewegen, scheiterten damals.

Seither müßte Kanzler Kohl in Bonn eigentlich regelmäßig die Frage beantworten, warum er und die Union die 500.000 zusätzlichen Jobs nicht haben wollen. Doch die Frage wird von der Opposition immer noch viel zu selten gestellt. Und Kohls zweiten Mann, Wolfgang Schäuble, ließen SPD und Bündnisgrüne im vergangenen Jahr immer wieder mit einer vieldeutigen „Ja, aber“-Antwort entkommen.

Dabei ist völlig ungewiß, ob das Wahlkalkül aufgeht. Umfrageergebnisse zeigen, daß die Bürgerinnen und Bürger inzwischen die Notwendigkeit der Ökosteuer akzeptieren. Wenn also Helmut Kohl der Industrie verspricht, eine Ökosteuer werde es mit ihm nicht geben, stellt sich der Mann ins politische Abseits. Schlimmer, er führt die Republik ins ökonomische und ökologische Abseits. Kohl, der als Eleve bei BASF gearbeitet hat, macht seinen Hofknicks immer noch vor den Bossen der alten Industrie. Der Kanzler ist alt, er muß weg. Hermann-Josef Tenhagen