Ein Opfer von Geheimdiensten?

Gestern begann der Prozeß um die Landshut-Entführung nach Mogadischu 1977. Die Angeklagte Monika Haas bestreitet die Tat: Stasi „wollte die Ehre meines Mannes treffen“  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Mit kreidebleichem Gesicht und von Tränen fast erstickter Stimme bat die 47jährige Monika Haas gestern vormittag gleich zu Beginn des Prozesses vor der Frankfurter Staatsschutzkammer um eine Verhandlungspause: „Die Anklage hat mich wahnsinnig aufgewühlt und überwältigt.“ Zuvor hatte Bundesanwalt Homann sie der Beteiligung an der Flugzeugentführung, des Mordes an Lufthansa-Flugkapitän Schumann, des versuchten Mordes sowie der Entführung und Erpressung beschuldigt. Danach soll sie nicht nur die Waffen für die Entführung der Maschine „Landshut“ mit 87 Menschen an Bord im Herbst 1977 von Mallorca nach Mogadischu geliefert haben. Sie soll auch von der Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns-Martin Schleyer in Deutschland gewußt und die Pläne dazu „gebilligt“ haben. Ein Kommando der PFLP (Befreiungsfront für Palästina) hatte die Maschine gekapert und unter anderem die Befreiung von elf RAF-Gefangenen aus deutschen Gefängnissen gefordert. In Deutschland war schon zuvor Schleyer entführt und nach der gescheiterten Flugzeugentführung erschossen worden. Haas versuchte gestern langsam, mit langen Pausen, immer wieder zitternd, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Davon, wie sie, anfangs spontan und aus Empörung gegen die Urteile und Haftbedingungen, RAF-Gefangene besuchte, dann selbst verfolgt wurde und daraufhin die Bundesrepublik 1975 verließ. Und davon, wie sie im Jemen ihren Mann Zaki Helou, einen hohen PFLP-Funktionär, kennenlernte. Wie sie sich dann schon 1976, nach einem ersten Versuch, sich dort aktiv als Kurierin einsetzen zu lassen, schleunigst und tief verschreckt „mit lädiertem Selbstbewußtsein“ in das Privatleben zurückgezogen habe, nachdem sie bei den Palästinensern zu Unrecht in den Verdacht geraten sei, sie verraten zu haben. Sie bestritt den Tatvorwurf der Waffenlieferung heftig und sah sich statt dessen als Opfer diverser Geheimdienste, die sie immer wieder bespitzelt hätten. Allen voran beschuldigte sie die Stasi, die immer wieder Gerüchte gestreut und Mißtrauen gesät habe, um eigentlich nicht ihr, sondern ihrem politisch unliebsamen Ehemann zu schaden: „In der arabischen Welt ist die Ehre eines Mannes ganz stark mit der Ehre der Frau verknüpft.“ Dann versuchte Haas, in Umkehr der Beweislast, akribisch zu belegen, daß der Staatssicherheitsdienst ihre angebliche Agententätigkeit immer wieder lanciert habe, um den gegnerischen bundesdeutschen Behörden unterstellen zu können, Haas sei, weil sie als aktive Terroristin nach ihrer Rückkehr 1982 nach Deutschland nicht belangt wurde, eine der ihren und werde deshalb gedeckt. Sie berichtete ihrerseits, sie sei bei ihrem angeblich unbehelligten Leben in Hamburg und Frankfurt nicht nur aus Ostberlin unter Druck gesetzt worden, sondern auch von hiesigen Diensten über Jahre hinweg belästigt und bedroht worden. Ihr Ehemann, Zaki Helou, von dem sie sich 1982 endgültig trennte, wurde 1984 in Madrid Opfer eines Anschlages und ist seither gelähmt. Haas wandte sich auch direkt an die in Hamburg in Haft sitzende Souhaila Andrawes, die einzige Überlebende des vierköpfigigen Entführerkommandos. Andrawes war im Herbst 1995 von Norwegen in die Bundesrepublik ausgeliefert worden. Sie hatte Haas belastet, nachdem ihr die Kronzeugenregelung angeboten worden war. Am Mittwoch abend hatte sie jedoch in einem Fernsehfilm sibyllinisch gesagt, sie fühle sich von den Behörden als Werkzeug gegen Haas benutzt, müsse aber auch an sich und ihre neunjährige Tochter denken: „Meine Tochter hat nur eine Kindheit.“