Neun Menschen sterben in den Flammen

■ Nach der Brandkatastrophe in einem Lübecker Wohnheim für Asylbewerber werden drei Jugendliche verdächtigt

Lübeck (AP/dpa/rtr) – Bei einem verheerenden Brand in einem Lübecker Asylbewerberheim starben in der Nacht zu gestern neun Menschen, darunter drei Kinder. 55 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Ein rassistischer Anschlag wird nicht ausgeschlossen. Am Vormittag nahm die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern drei junge Deutsche zwischen 17 und 26 Jahren als Beschuldigte fest. Sie hatten sich zum Zeitpunkt des Feuers in der Nähe des Wohnheims aufgehalten, teilte der leitende Kriminaldirektor, Winfried Tabarelli, mit. Einer der drei sei aus der rechten Szene bekannt. Gegen alle drei wird wegen Brandstiftung und mehrfachen Mordes ermittelt. Allerdings wurde auch ein technischer Defekt als Brandursache nicht ausgeschlossen.

An der Zahl der Opfer gemessen, wäre es das bisher schwerste Verbrechen gegen Ausländer in der Geschichte der Bundesrepublik. Mehrere Menschen wurden am Nachmittag noch vermißt. Das Schicksal einer Familie, die das Dachgeschoß bewohnte, war noch unklar. In dem viergeschossigen Haus nahe dem Lübecker Zentrum sind 45 Ausländer gemeldet, vor allem aus Togo, Zaire, dem Libanon und Syrien. Es muß aber befürchtet werden, daß sich über 70 Menschen dort aufhielten.

Das Feuer brach nach Auskunft eines Polizeisprechers gegen 3.40 Uhr aus. Es habe sich schnell ausgebreitet und sei erst gegen 8 Uhr unter Kontrolle gewesen, zwischenzeitlich aber immer wieder aufgeflammt. Die Bewohner hätten das Feuer selbst gemeldet. Widersprüchliche Angaben gab es über die Brandherde: Während der zuständige Staatsanwalt Michael Böckenhauer erklärte, das Feuer sei an mehreren Stellen gleichzeitig ausgebrochen – was für Brandstiftung spräche –, ging die Polizei von einem Brandherd aus. Überlebende Bewohner berichteten, Vermummte hätten nachts vor dem Haus mit Molotowcocktails hantiert. Die Feuerwehr konnte das Gebäude wegen Einsturzgefahr bis gestern abend nicht betreten. Ausländer aus der ganzen Stadt, vor allem Afrikaner, kamen zur Brandstätte, um sich nach Freunden und Verwandten zu erkundigen. Eine 50köpfige Sonderkommission ermittelt. Der Generalbundesanwalt wurde bisher nicht eingeschaltet. Tagesthema Seite 3