Nur die Harburger Berge vor der Tür

■ Hamburg ist kein Ski-Dorado, dafür fehlen die passenden Hügel. Die Hansestadt hat dennoch oder gerade deshalb ein besonders intensives Verhältnis zum weißen Sport

Vereinzelte Langläufer im Stadtpark oder in der Fischbeker Heide, vielleicht einige Abfahrts-Enthusiasten in den Harburger Bergen. Hamburg ist nicht gerade ein Ski-Dorado. Dafür sorgen alleine schon die topographischen Gegebenheiten. Zum Thema Wintersport in Verbindung mit ihrer Stadt käme den meisten Hamburgern wohl allenfalls das Schlittschuhlaufen auf der zugefrorenen Binnenalster in den Sinn. Um so verwunderlicher ist es da, daß Sport-Professor Horst Tiwald, ein gebürtiger Österreicher, behauptet: „Hamburg ist das Tor zum alpinen Skilauf.“ Alles nur Kaffeehausgeschwätz?

In Deutschland wurde das Skifahren erstmals 1771 erwähnt – von einem Hamburger. Nicht etwa in einem Reisebericht, sondern in einer Ode des Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war Hamburg so etwas wie eine „Medienmetropole“: Zwar weniger lyrisch, für die Entwicklung und vor allem die Verbreitung des Skilaufs dafür aber um so bedeutungsvoller waren zwei zu dieser Zeit bei J. F. Richter verlegte Bücher: Das 1891 erschienene Werk Auf Schneeschuhen durch Grönland des Norwegers Fridtjof Nansen und fünf Jahre später das Werk Lilienfelder Skilauf-Technik des Österreichers Mathias Zdarsky.

Hamburg hat bis heute seine besondere Beziehung zum Skisport behalten. In den höheren Schulen sind Ski-Klassenfahrten beinahe schon obligatorisch. Die Hansestadt besitzt zudem mit 3 140 Mitgliedern einen größeren Skiverband als München. Der Verband Hamburger Ski-Vereine (VHSV), dem 23 Vereine angehören, richtet sogar Meisterschaften aus: Am 27. Januar geht es im Harz um den Hamburger Langlauftitel, am ersten Februar-Wochenende im österreichischen Steinach um alpine Ehren.

Neben diesen Wettkämpfen erfreuen sich besonders die zahlreich angebotenen Reisen und Trainingsfahrten großer Beliebtheit – und das nicht nur beim VHSV: Skireisen boomen in Hamburg. Boten Anfang der 80er insbesondere Studenten mit handgeschriebenen Flugblättern kleinere Touren am Schwarzen Brett an, locken heute mehrseitige Hochglanzprospekte. Wieso ist gerade in Hamburg die Nachfrage für derartige Touristik-angebote so groß? „Im Urlaub streben viele nach völliger Veränderung zum Alltag, die Norddeutschen fahren deshalb gerne in die Alpen“, glaubt Falk Nerlich vom Bergedorfer Veranstalter Sunwave.

Hinzu kommt seiner Meinung nach für Hamburg noch die günstige Lage der Frühjahrsferien: Als einziges Bundesland bleiben in der Elbmetropole nicht zu Ostern, sondern bereits Anfang März die Schulbänke leer, also zu einem Zeitpunkt, da in den meisten Skigebieten noch ausreichend Kapazitäten und vor allem Schnee vorhanden sind. Eine Eingabe der Hamburger Schulsenatorin Rosemarie Raab, diese „Skiferien“ abzuschaffen, wurde von 57 Prozent aller Eltern abgelehnt.

Die Ski-Begeisterung der Hamburger läßt auch die Kassen der Sportartikelhersteller kräftig klingeln. Die Filialen von Sport-Hütte und Sport-Scheck verzeichnen bei Ski-Artikeln deutlich höhere Umsätze als ihre süddeutschen Partnergeschäfte, und auch bei Sport-Karstadt ist man mit 3 000 verkauften Paar Skiern pro Saison hochzufrieden.

Trotz aller Ski-Begeisterung, ein Weltcup-Skirennen hat es in Hamburg bislang noch nicht gegeben. Doch was andere Großstädte wie Berlin oder Wien geschafft haben, ließe sich mit ein bißchen Pioniergeist und etwas mehr Kunstschnee sicherlich auch an der Elbe realisieren. Alberto Tomba beim Slalom in den Boberger Dünen – das wäre doch was.

Broder-Jürgen Trede