Alle gleich unverletzbar

■ Initiativen klagen Hamburgs Flüchtlingspolitik an und halten im Februar ein Tribunal ab Von Stefanie Winter

Unverletzbar sei die Menschenwürde, ebenso die körperliche Unversehrtheit. Gleich und gleichermaßen sozial seien alle zu behandeln, doch die Flüchtlingspolitik der Hansestadt verletze diese Grundrechte.

Zu diesem Ergebnis gelangten Hamburger Flüchtlingsinitiativen nicht erst nach ihren eineinhalb Jahre dauernden Recherchen. Sie nutzten die Zeit, um Beweise zu sammeln. Und klagen an. 18 gemeinhin als unbescholten geltenden Bürgern – unter ihnen Bürgermeister Henning Voscherau, Senatorinnen und Senatoren – gingen gestern die Anklageschriften zu. Am ersten Februar-Wochenende wird in einem Tribunal Gericht über sie gehalten.

Als „symbolische Gerichtsverhandlung“ verstehen die Initiatoren – politische und kirchennahe Gruppen – das Tribunal, nicht jedoch als eine „Theaterveranstaltung“, sagte die Rechtsanwältin Gaby Heinecke gestern während einer Pressekonferenz. Es diene nicht dazu, in Abwesenheit der „Angeklagten“ ein Exempel zu statuieren. Die Betroffenen erhalten Gelegenheit, sich zu verteidigen – wenn sie denn erscheinen. „Von unserer Seite ist die Auseinandersetzung gewünscht“, sagte Heinecke, die gemeinsam mit Sigrid Töpfer die Anklage vetritt.

Nach Erkenntnissen der Initiatoren werden viele Flüchtlinge – nicht vorübergehend, sondern dauerhaft – in Sammelunterkünften untergebracht, bevorzugt und bewußt in isolierter Lage. Kinder werden dort unzureichend bis gar nicht betreut. Unbegleitete Flüchtlinge, die älter sind als 16 Jahre, werden als Erwachsene behandelt. Anders als gleichaltrige Deutsche haben sie keinen Anspruch auf Jugendhilfe. Wer vorgibt, jünger als 16 zu sein, jedoch älter wirkt, könne zur Altersbestimmung einer Röntgenuntersuchung unterzogen werden – ohne gesetzliche Ermächtigung. Die Behörden handelten häufig willkürlich und meist zum Nachteil der Flüchtlinge.

36 Seiten umfaßt die Anklageschrift. Sie dokumentiert die Verletzung von Grundrechten und der UN-Kinderkonvention durch die Unterbringung der Flüchtlinge, den Umgang mit Minderjährigen, durch Abschiebung und Abschiebehaft. Betroffene werden im Tribunal als Zeugen aussagen.

Die Staatliche Pressestelle ließ gestern verlauten, daß konkrete Vorwürfe selbstverständlich geprüft würden. Die pauschale Anklage der Inhumanität treffe hingegen nicht zu: „Die Behörden handeln gegenüber den in der Stadt lebenden Flüchtlingen geradlinig, gesetzestreu und nach den Prinzipien der Menschlichkeit.“

Das Tribunal beginnt am Freitag, 4. Februar, um 17 Uhr in der Ottenser Osterkirche. Das Urteil wird am Sonntag um 17 Uhr verkündet.