„Der nächste Kulturhaushalt wird höher“

■ Carmen Emigholz (SPD) über Dacapo, Filmförderung, Theater und mehr

Seit 1. Januar ist Carmen Emigholz kulturpolitische Sprecherin der SPD in der Kulturdeputation. In ihrer Partei übte sie dieses Amt bereits seit mehreren Jahren aus.

taz: Die Kultursenatorin hat es verstanden, sich von Anfang an zur Buhfrau zu machen. Jetzt kommen Sie, quasi als Retterin der Kultur, – Stichwort: WAP-Millionen im Sack –, und die SPD steht wieder ganz gut da. Ein gut einstudiertes Rollenspiel?

Carmen Emigholz: Ich möchte die Zuweisung als Buhfrau und Retterin nicht. Ich denke aber, daß man die Rollen auch sehen muß. Das macht Frau Motschmann für die Union auch, wenn sie sich mit Nölle auseinandersetzt. Stichwort: „Giftliste“. Genauso seh ich das bei mir und Frau Kahrs. Sie sitzt unter einem ganz anderen Druck, sie hat ein eminent schwieriges Ressort.

Die neue kulturpolitische Linie scheint tendenziell in Richtung verstärkte Förderung der Breitenkultur zu gehen, während eher als elitär angesehene Projekte – Beispiel „dacapo“ – derzeit um ihr Leben bangen.

Über „dacapo“ ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sicherlich gibt es interessante Bereiche in der Soziokultur, die wir fördern sollen. Und wir müssen gucken, daß wir bei einigen Projekten, die noch von Helga Trüpel finanziert worden sind, eine Entscheidung treffen. Nach dem Kriterium: Was wollen wir für kulturpolitische Aufgaben lösen? Ich meine damit: Es gibt in dem „Käsekästchen-Modell“ von Helga Trüpel eine ganze Reihe von Aufgaben, die nicht kurzzeitig zu lösen sind. Bei denen sollte man den Mut haben, sie fest in den Haushalt einzustellen. Einige Beispiele: Wir können nicht von Jahr zu Jahr entscheiden, ob Bremen eine Filmförderung braucht. Genauso wenig können wir von Jahr zu Jahr entscheiden, ob wir eine kulturelle Stadtteilbetreuung wollen. Außerdem ist es aus meiner Sicht Quatsch, sich zu fragen, ob der Bereich „Frau und Kultur“ immer neu abgesichert werden muß.

Nun ist ja etwa das Filmbüro im Medienzentrum schon verwaist ...

Ich setze mich dafür ein, daß diese Stelle wieder besetzt wird.

Das ist sicher Balsam auf die Wunden der Kulturschaffenden, wenn aus den Projekten jetzt feste Haushaltsstellen werden sollen. Das heißt aber doch, daß man an anderer Stelle im Haushalt sparen muß. Wie wollen Sie denn umgewichten?

Ich weiß nicht, ob man immer die Frage des Umgewichtens stellen sollte.

Welche Alternative gibt es?

Mit allen Parteien den Vorstoß zu unternehmen und zu sagen: Kultur ist an der untersten Grenze finanziert, und wir lassen einen rigiden Sparkurs nicht mehr zu. Das kann nur die Alternative sein. Wir wissen alle, unter welchen Lasten die erweiterten WAP-Beschlüsse zustande gekommen sind. Und durch die WAP-Mittel haben wir Luft für die Projekte, die Sie angesprochen haben.

Aber nur auf Zeit. Sind die zehn WAP-Millionen nicht eher ein freundlicher Selbstbetrug?

Ich halte das nicht für freundlichen Selbstbetrug. Ich bin der Meinung: Wenn die Haushaltskrise überwunden ist, muß über die klassische Unterfinanzierung des Kulturbereichs nachverhandelt werden. Aus meiner Sicht ist der nächste Kulturhaushalt, der in zwei Jahren zu verabschieden ist, höher. Eine ganz klare Aussage.

Der Spardruck wird doch sicherlich nicht abnehmen ...

Ich habe die Hoffnung, daß die Erfolge, die wir erkämpft haben, die Offenheit für Gespräche über haushaltspolitische Grundsatzentscheidungen erhöht hat. Auch dank des positiven Rückhaltes in den Medien, nicht zuletzt in Ihrer Zeitung. Wir müssen jetzt versuchen, eine Kampagne für Kultur zu eröffnen.

Wie sieht das aus?

Am 18.3. fangen wir an mit einer Veranstaltung zur Zukunft der Stadtbibliothek. Da möchten wir mal grundlegende Fragen stellen. Denn wenn wir eine vernünftige Haushaltspolitik machen wollen, müssen wir wissen: Wie sollen sich die Projekte entwickeln. Das gilt für die Bibliotheken genauso wie für soziokulturelle Zentren oder den Musiksektor, um ihn noch weiter zum Aushängeschild Bremens zu machen, und vieles mehr.

Was soll mit den WAP-Geldern passieren, die doch dazu beitragen sollen, Kultur in Bremen überregional bekannt zu machen? Zum Beispiel im Theater?

Es gibt Fälle, wo man im Musiktheater eine Verstärkung des Chors braucht, wo man besondere Schauspieler braucht oder ein attraktives Bühnenbild, das man sich nicht leisten kann. Wenn wir hier tolle Sachen machen, überlegt sich vielleicht auch das Umland, nach Bremen zu kommen. Wir müssen nicht deshalb nach Hamburg fahren.

Die Senatorin hat gesagt, wenn man interessantes Theater sehen will, kann man nach Hamburg fahren ...

Ich bin der Meinung, daß die Hamburger besser nach Bremen kommen und angesichts der Arbeitsmarktlage sollen wir jeden Faktor – auch die Kultur – nutzen, um die Attraktivität Bremens zu steigern.

Fragen: Thomas Wolff/Alexander Musik