Was ist denn das, Politikwissenschaft?

■ „Beruf & Qualifikation“ über eine umstrittene und auch zerstrittene Disziplin

„Wir haben zuviel Soziologen und Politologen. Wir brauchen viel mehr Studenten, die sich für anständige Berufe entscheiden, die der Gesellschaft nützen.“ Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt machte 1968 klar, was er von Politikwissenschaft hält. Eigentlich kein Wunder, beobachtet, analysiert und kritisiert sie doch speziell das Handeln der Mächtigen.

Der Amerikaner David Easton spricht von einem Studium der Prozesse, wie Entscheidungen für eine Gesellschaft gefällt werden, die für die meisten Menschen weitestgehende Verbindlichkeit besitzen. Das Ziel dieses Studiums ist jedoch heftig umstritten: Den einen geht es um den guten Staat, um immer und überall geltende Werte. Andere haben vor allem Geschichte und Zukunft einer sich zunehmend emanzipierenden Bevölkerungsgruppe vor Augen.

Minimalkonsens ist für viele das Bestreben, Krisen zu vermeiden. Auf diese folgte in der Geschichte stets eine besonders aufmerksame Beobachtung menschlicher Verhaltensweisen, so daß Politologie auch den Beinamen „Krisenwissenschaft“ erhielt. Spitznamen hat das Fach zuhauf; Feuilleton-Wissenschaft etwa, denn ihre Spezialität sei es, aus elf Büchern ein zwölftes zu schreiben, ohne dabei Reglementierungen zu unterliegen. Freier als etwa die traditionelle Geschichtswissenschaft oder Jura ist die Politikwissenschaft zweifellos; Studierende wie Lehrende reklamieren daher für sich die stärkste Fähigkeit, fächerübergreifend zu arbeiten.

Ohne die Kombination geht es wirklich nicht: Grundzüge des Staatsrecht gehören ebenso zum Basiswissen wie die Kenntnis jüngerer deutscher Geschichte, der Bedingungen, unter denen internationale Beziehungen unterhalten werden, und zumindest minimales wirtschaftliches Verständnis. Dann ist die Spezialisierung beinahe grenzenlos: Von der brandenburgischen Kreisgebietsreform bis zur Verteidigungspolitik Indonesiens kann alles erforscht werden.

Einem Ziel sollte aber jede politikwissenschaftliche Forschung dienen, meint die ehemalige OSI- Dekanin Gesine Schwan: Sie soll „zur Selbstaufklärung der Gesellschaft beitragen, damit die Gesellschaft ihre Politik vernünftiger als bisher gestalten kann“. ca