■ Griechenland hat einen neuen Regierungschef
: Simitis als Chance

In Griechenland hat das postcharismatische Zeitalter angefangen. Gefragt sind nicht mehr angehimmelte Führerfiguren, sondern Sachaussagen, Konzepte, Reformperspektiven. Das ist die Botschaft, die von der Nominierung des neuen Ministerpräsidenten Simitis ausgeht. Jedenfalls, wenn man sie optimistisch liest.

Griechenland hat nach dreimonatiger Lähmung durch die Gesundheitskrise des alten Regierungschefs Papandreou eine entscheidungsfähige Regierung bitter nötig. Innerhalb von 14 Tagen soll das leidige Mazedonienproblem beigelegt werden, mit einem Kompromiß, der dem Nachbarstaat den Namen „Nova Makedonia“ verleiht. In der Zypernfrage steht im Februar die Initiative des US-Vermittlers Holbrooke an. In beiden Fällen wird die Regierung Einigkeit und Autorität zeigen müssen, um der Kritik aus der nationalistischen Ecke zu widerstehen.

Noch wichtiger aber wird die Europapolitik. Griechenland ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung hinter Portugal auf den letzten EU-Platz zurückgefallen. Die innergriechische Debatte über Maastricht-II muß endlich beginnen, auch, um das Image des Landes zu verbessern. Die europäischen Partner unterstellen der Athener Regierung, lediglich ein Bein in der Union zu haben. Respektive eine Hand, die lediglich nach den Brüsseler Subventionen und Krediten langt, ohne eine gesamteuropäische Perspektive im Kopf zu haben.

Die aber beginnt zu Hause – mit wirtschaftlicher Stabilität und Haushaltssanierung. Hier steht die Regierung Simitis vor einer Sisyphusarbeit: Sie muß den öffentlichen Dienst rationalisieren und die notorische Steuerhinterziehung bekämpfen, wie auch dem eingefleischten Klientelsystem den Kampf ansagen.

In der Pasok gibt es kein besseres Führungspersonal für diese Aufgabe als Kostas Simitis und seine mußmaßliche Wirtschaftsministerin, die ehemalige EG-Kommissarin Vasso Papandreou. Die Frage ist, ob die Pasok unpopuläre Entscheidungen der Regierung mittragen wird. Oder ob sich dann der Phantomschmerz meldet, der Andreas Papandreou heißt. Der schlimmste Feind der Regierung Simitis wäre die erneute Sehnsucht nach einem charismatischen Führer, der zu Zeiten seiner Regierung auch keine besseren Ideen hatte. Niels Kadritzke