AKW Obrigheim: „Sicher nicht stillegen“

■ Parlamentarischer Untersuchungsausschuß veröffentlicht Abschlußbericht

Stuttgart (taz) – Nach zweijähriger Arbeit hat der baden-württembergische Untersuchungsausschuß zum Betrieb des Kernkraftwerks Obrigheim gestern seine Ergebnisse vorgelegt. Danach sind sich die großen Koalitionäre von CDU und SPD einig darin, daß Deutschlands ältester Atomreaktor den Vorschriften gemäß errichtet wurde. Auch entspreche der nachträgliche Einbau der Druckbehälter des 27 Jahre alten Meilers den Sicherheitsbestimmungen.

Ganz anders sehen das die Grünen, die in einem Sondervotum die sofortige Stillegung des Atomkraftwerks forderten. Um das 1968 in Betrieb genommene Kernkraftwerk rankt sich eine einzige Skandalchronik. Fast 24 Jahre lang lief der Meiler ohne Dauerbetriebsgenehmigung, ausgestattet lediglich mit einer für den Probleauf erteilten Zulassung.

Das änderte sich erst, als der sozialdemokratische Atomkraftgegner Harald B. Schäfer 1992 das Umweltministerium übernahm. Seine Dauergenehmigung verband Schäfer jedoch mit der Ankündigung, das alte Kraftwerk einer genauen Prüfung zu unterziehen. Trotz heftiger Kritik aus den eigenen Reihen ließ Schäfer das Atomkraftwerk nach erfolgter Revision Ende vergangenen Jahres wieder ans Netz. Die Überprüfung hatte ergeben, daß die Schweißnähte am Druckbehälter zwar um drei Millimeter dünner als bislang angenommen waren, jedoch laut einem Gutachten des TÜV „keine sicherheitstechnischen Bedenken“ zuließen. Die Betreiberfirma „Kernkraftwerk Obrigheim“ will das AKW noch mindestens weitere 13 Jahre laufen lassen.

In ihrem Minderheitenvotum kritisieren die baden-württembergischen Grünen vor allem die personelle Verquickung von Aufsichtsbehörde, Gutachtern und Kraftwerksbetreibern. So hätten sich Belege dafür gefunden, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, „daß die Betreiber Einfluß auf die Besetzung von Stellen im Ministerium nahmen“. Zuvor hatte der Obmann der SPD- Fraktion im Untersuchungsausschuß, Ulrich Brinkmann, bedauert, daß sich keine Anhaltspunkte gefunden hätten, das AKW stillzulegen: „Ich weiß heute nicht, ob es sicher ist. Aber ich weiß, daß wir es nicht stillegen konnten.“

Der 1.000 Seiten umfassende Abschlußbericht wird in einer der letzten Sitzungen des Landtags im Februar diskutiert. Auch das Verwaltungsgericht wird sich mit Obrigheim noch einmal befassen müssen. Die Richter des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim hielten 1995 die nachträglich erteilte Dauergenehmigung für rechtswidrig. Das noch nicht rechtskräftige Urteil wird wahrscheinlich im nächsten Jahr noch einmal Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden. Philip Maußhardt