■ Magnus Hirschfeld
: Stetes Verschweigen

Magnus Hirschfeld, Arzt, Jude, Homosexueller, begründete 1919 in Berlin das weltweit erste Institut für Sexualwissenschaft. Sexualberatung und Aufklärung über Verhütungsmittel waren ein Schwerpunkt des Instituts, in dem sich auch die Frauenrechtlerin Helene Stöcker engagierte. Eine große Erotika-Sammlung diente wohl vor allem für Lehrveranstaltungen. Ein tonnenschwerer Riesenphallus aus Indonesien fand hier ebenso seinen Platz wie eine Berliner Semmel als „Symbol für das weibliche Geschlechtsorgan“. Als die Nazis an die Macht gewählt wurden, kehrte Hirschfeld von einer Weltreise nicht zurück. Er starb zwei Jahre später in Nizza. Am 6. Mai 1933 wurde sein Institut durch nationalsozialistische Sportstudenten geplündert, am 10. Mai wurden die dort gefundenen Bücher auf dem Opernplatz verbrannt. Ein Teil wurde zwar gerettet und über einen Strohmann Hirschfelds zurückgekauft, fand sich aber bis heute nicht wieder auf.

Berlin würdigt seinen großen Sohn auf seine Art. Fünf Jahre dauerten die Vorbereitungen, dann wurde 1993 tatsächlich eine kleine Gedenktafel am früheren Wohnhaus des Sexualpioniers angebracht, auf der doch wahrhaftig das „Wissenschaftlich-Humanitäre Komitee“ als weltweit erste Schwulenorganisation erwähnt wird. Ähnlich zögernd die Berliner Universitäten. In seinem Testament hatte Hirschfeld verfügt, das Institutsvermögen solle für die Gründung eines sexualwissenschaftlichen Lehrstuhls verwendet werden. In den 80er Jahren lehnte die FU in West-Berlin die Neugründung seines Instituts dankend ab. „Soll über Sexualität forschen, wer damit Probleme hat, wir haben damit keine“, soll der damalige FU- Präsident und jetzt wegen Unfähigkeit aus dem Amt geschubste Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) gesagt haben. In den 90er Jahren scheiterte ein zweiter Versuch an der Ostberliner Humboldt-Universität an inneruniversitären Interessenkonflikten. Von der patriarchatskritischen Konzeption, die die „Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft“ vorgelegt hatte, blieb nichts übrig als eine einsame Professur für Sexualwissenschaft. Weil niemand einen würdigeren Ort schuf, finden Nachlaßteile des Pionierschwulen nun ausgerechnet bei der Hetero-Pussy Beate Uhse ihr neues Exil. Ute Scheub