Stimmband als Schnatterbüchse

■ „Women in (E)motion“: Shirley A. Hofman und Hilde Kappes waren im „Moments“

Zwei außergewöhnliche Solistinnen entführten das Publikum am Samstag bei den „Women in (E)motion“ in abenteuerliche Klang- und Gesangs-Regionen. Shirley Anne Hofman ist im kanadischen Ottawa als Tochter böhmischer EinwanderInnen aufgewachsen. Das spiegelt sich in der Musik der Sängerin und Multiinstrumentalistin deutlich wider. Häufig sind es böhmische Polkas, Walzer und kanadische Folksongs (mit europäischen Wurzeln), die die zierliche Musikerin zum Ausgangspunkt ihrer musikalischen Abenteuerreisen macht. Dabei gestaltet sie die Melodien ebenso eigenwillig wie liebevoll. Wechselweise am Euphonium, der kleineren Schwester der Tuba, und am Akkordeon, manchmal unterstützt von Bandeinspielungen, schafft sie die melodisch-rhythmischen Grundlagen für ihre vokalen Eskapaden. Ihr Gesang pendelt zwischen den aufgeregt schnatternden Stimmkaskaden einer Maggie Nichols und den jauchzenden Kehlkopfstimmen bulgarischer Chöre. Als Einstieg lieferte Hofman ein Feuerwerk von Lauten, gackerte, zirpte, gurrte, fiepte und schnurzte, unterstrich diese verschiedenen Geräusche und Vokalisen – klangliche Umspielungen von kurzen Vokal- oder Silbenfolgen – zum Amüsement der ZuhörerInnen mit witzigen Grimassen und Gesten. Wunderbar auch ihre Hommage an den Weißen Hai, das Stück „From the Depths“, in dem sich die tiefen Töne des Euphoniums kräftig an der hellen, fast kindlichen Stimme rieben, oder der kuriose Hillbilly „Prescott Way“ mit überraschenden Jodel-Einlagen.

Die in Berlin lebende Hilde Kappes setzte mit ihrem anschließenden Auftritt noch eins drauf. Sie entfaltete ein kauziges Kaleidoskop mal schriller, mal schöner Töne, die sich in seltsamer Ambivalenz von fremdartig und wohlbekannt bewegten. Kappes singt „in Zungen“, ihre Phantasiesprache „Schortuanisch“ ist ein wilder Bastard aus romanisch, slawisch und chinesisch klingenden Lauten ohne Sinn. Selbst ihre Publikumsansprache machte sie auf schortuanisch, wurde von den begeisterten ZuhörerInnen trotzdem verstanden. Musikalisch ist sie eine Art potenziertes Chamäleon, sie wechselt Klangfarben, Stimmungen und Stile in atemberaubendem Tempo. Zum am Piano intonierten Jazzstandard „Take Five“ verfiel sie plötzlich in Operngesang, um im nächsten Moment gedehnte, hochgezogene Silbenlaute wie im Chinesischen hören zu lassen. Ein portugiesischer Fado, zu dem sie sich auf der Surdo, einer großen Baßtrommel, begleitete, verwandelte sich unversehens in afrikanischen Gesang. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte natürlich ihr Spezialinstrument, ein präpariertes Abflußrohr, das wie eine Mischung aus Bass und Perkussionsinstrument klingt. Die Sängerin agiert auf der Bühne mit einer geradezu kindlichen Freude an skurrilen Lauten. Sie blubbert, heult, grunzt, schnauft, kiekst, jubiliert zwischen gesungen Sequenzen. Besonders scheint es ihr das italienische Lied angetan zu haben. Immer wieder persiflierte sie Paolo Conte- bzw. Angelo Branduardi-artige Melodien, sehr zum Vergnügen des Publikums, das die Musikerin sofort in ihren Bann gezogen hatte und bis zum Schluß nicht mehr losließ.

Farina