Die Wirklichkeit ist trocken genug

■ betr.: „Nur Deppen machen beim Umnieten so einen Aufruhr“, taz vom 10. 1. 96

Ich finde diese Kritik eines V-Mannes am „Schattenmann“ etwas überbewertet. Ich werde mich jetzt auch nicht zu jeder Form der Knastdarstellung im Medium Film äußern. „Rambo“ hat auch nix mit Vietnam zu tun, und ich glaube, „Rainman“ geht an jeder Behindertenrealität vorbei. Nur zwei Beispiele, aber ich denke, sie verdeutlichen den Takt, daß alles, insbesondere Filme und Serien, aber auch der Rest der aus diesen Infotainmentkisten quillt, eine Lüge ist.

Ich finde den Schattenmann spannend und unterhaltsam, wie einen guten Tatort, aber ich gucke in auch nur, weil die Umstände mich nahezu zwingen. Angeblich ernsthafte, politische Diskussionsrunden und realitätsverzerrende Berichterstattung (zum Beispiel von der „Radikal-ins-näxte-Jahrtausend“-Demo) regen mich da mehr auf. Und selbst das ist und bleibt Infotainment. David Weber, Geldern

Ich finde es ziemlich schade, daß sich nun auch die taz mit einer ganzen (!) Seite an dem Wahrheitsfindungsprozeß rund um den deutschen Film beteiligt. Denn es scheint ein urdeutsches Bedürfnis zu sein, Filminhalte auf ihren Realitätsgehalt hin zu überprüfen und zu beurteilen. Den Deutschen scheint die Wirklichkeit noch nicht trocken genug zu sein, denn sonst würden sie sich nicht immer wieder die Frage stellen, ob dies oder jenes aus irgendeinem Film auch wirklich so möglich gewesen sein könnte.

Im Klartext: Wenn es weiterhin nicht nur bei den Filmemachern, sondern auch bei den Zuschauern dermaßen an Phantasie mangelt, wird nie was aus dem deutschen Film. Zum Glück gibt es sie noch anderswo, denn sonst wären Projekte wie zum Beispiel „Twin Peaks“ nicht möglich gewesen. Da hätte sich Euer V-Mann sicher beim Notieren der Wahrheitsmängel die Finger wund geschrieben und ein Diktaphon benötigt. Andrea Hartwig, Wuppertal