Nebenwirkungen werden in Kauf genommen

■ Mittel gegen Pilzerkrankungen steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen

Wer schon einmal unter Fußpilz gelitten hat, weiß, wie unangenehm und hartnäckig eine solche Infektion sein kann. Ist eine Pilzkrankheit nicht lokal begrenzt, sondern breitet sich im ganzen Körper aus, befällt beispielsweise die Lungen, ist sie mehr als lästig. Solche systemischen Infektionen können lebensbedrohlich sein. Das Antibiotikum Amphotericin B gehört zu den relativ wenigen Mitteln, die hier wirksam sind. Es steht daher auf der von der WHO aufgestellten Liste der notwendigen Medikamente. Trotz erheblicher Nebenwirkungen, vor allem Nierenschäden, gilt es nach wie vor als Mittel der Wahl bei schweren Pilzerkrankungen. Die Schäden an der Niere sollen bei einer nicht zu hohen Dosierung reversibel sein.

Doch nun wurden in der Fachzeitschrift Biologisches Zentralblatt die Forschungsergebnisse einer indischen Arbeitsgruppe veröffentlicht, die auf noch weiter gehende Gefahren hinweisen. Offenbar hat Amphotericin B erbgutverändernde Wirkung. Die Wissenschaftler setzten Zellkulturen menschlicher weißer Blutzellen das Antibiotikum in Konzentrationen zu, wie sie bei der Behandlung einer Pilzinfektion auftreten. Sie stellten daraufhin eine erhebliche Anzahl unterschiedlicher Mutationen fest. Es kam zu Brüchen und Lücken in den Chromosomen sowie zum Austausch ganzer Chromosomenteile.

Da Amphotericin B schlecht löslich ist, wird es mit der Chemikalie Natriumdeoxycholat versetzt, mit der die Aufnahme in den Körper verbessert wird. Diese Substanz, so stellten die Forscher jetzt fest, löst ebenfalls – wenn auch seltener – Mutationen aus. Sie äußern daher den Verdacht, daß sich die beiden Stoffe in ihrer mutagenen Wirkung gegenseitig verstärken könnten.

Schon wegen der bisher bekannten Nebenwirkungen sollte Amphotericin B nur bei lebensbedrohlichen Pilzerkrankungen angewendet werden, warnte das arzneimittel-telegramm schon vor einiger Zeit. Doch statt dessen scheint eine Ausweitung des Einsatzes von Amphotericin B nicht ausgeschlossen. Da es in Laborexperimenten die Vermehrung des HI-Virus verhindert hatte, wurde in Fachkreisen schon eine Anwendung bei Aidspatienten diskutiert. Angesichts des jetzt entdeckten Gefahrenpotentials scheint jedoch eine neue Abwägung von Nutzen und Risiko dringend geboten. Wiebke Rögener