■ Die Taktik der Koalition im Plutoniumausschuß
: Hintertriebene Äufklärung

Bis zum Schluß plagte den SPD-Obmann im Plutoniumuntersuchungsausschuß, Bachmaier, ein schlechtes Gewissen, ob er wirklich die Sitzung verlassen und boykottieren soll. Hatte er doch bündelweise Fragen an Geheimdienstkoordinator Schmidbauer vorbereitet, dessen Spiel auf Zeit aber prima aufzugehen schien. Erst zweieinhalb Stunden die nichtssagende Vorlesung, dann stundenlang die belanglose Befragung durch den Ausschußvorsitzenden von der CSU. Das Ganze war nichts als eine Farce. Der Redaktionsschluß der Zeitungen war längst vorüber, das Wochenende schon nah und die Beobachter kaum noch vorhanden. Quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit sollten dann die kritischen Fragen von SPD, Grünen und PDS an die Reihe kommen – ein ganz offensichtlich parteitaktisches Spiel. Nun aber sprang der SPD-Mann über seinen Schatten. Er tat dies mit einem Schritt, den die SPD noch nie wagte, aus Respekt vor einem Ausschuß als Institution der Demokratie. Denn das, was Union und FDP-Vertreter im Ausschuß treiben, ist Verrat am Aufklärungsauftrag des Gremiums und Verrat am Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit.

Nicht „Wahrheitsfindung“, sondern Taktik steht für Koalitionsvertreter im Vordergrund mit dem Ziel: Beihilfe zur Verdunkelung. Denn was nützt die Wahrheit, wenn sie keiner mehr wahrnimmt? Und wenn sie juristisch anschließend auch noch anfechtbar ist, weil sie nach unzulässig vielen Stunden Vernehmung zu Gehör gebracht wurde? Selbst Polizeivernehmungen sind unter solchen Umständen anfechtbar. Der Bundestag sollte deshalb dringend neue Regeln für die Arbeit der Untersuchungsausschüsse festschreiben. Ernst genommen werden sollte auch, was es heißt, daß ein Ausschuß „öffentlich“ tagt. Die Medien haben ein Recht darauf, konzentriert Aussagen zu verfolgen. Das aber ist unmöglich, wenn am Vortag BND-Chef Porzner 13 Stunden hintereinander „vernommen“ wird und wenn zehn Stunden später erneut eine Mammutsitzung folgt. Verläßlich ist dann weder das Gesagte und das Gefragte noch das, was flüchtig mitgeschrieben wird.

Die Abgeordneten der Union und der FDP widersetzten sich aber stur allen Journalisten und überstrapazierten Parlamentariern, die um Vertagung gebeten hatten. Kein Wunder: Wer hat schon ein Einsehen, wenn er einen Parteiauftrag hat. Doch damit haben sich Bonner Koalitionsvertreter längst zu Komplizen der Dunkelmänner aus Pullach und dem Kanzleramt gemacht, die Verdunkelung statt Aufhellung betreiben – so als wären sie inoffizielle Mitarbeiter des BND. Denn ihr Verhalten nährt den Verdacht, daß beim Münchener Plutonium-Deal tatsächlich mehr stinkt, als man bisher riechen kann. Denn Tricks und Taktik braucht nur der, den ein schlechtes Gewissen plagt, weil er etwas zu verbergen hat. Holger Kulick