Der Grüne Punkt brennt gut in Schweden

■ Deutscher Plastikmüll wird zwecks „thermischer Verwertung“ exportiert

Stockholm (taz) – Joghurtbecher, Milchtüten und Plastikverpackungen, die umweltbewußte deutsche KonsumentInnen sauber gewaschen in die gelben Müllsäcke sortieren, wärmen in diesem Winter die schwedische Universitätsstadt Linköping. 20 bis 25 Lastwagen fahren jede Woche über 1.000 Kilometer weit, damit 50 Tonnen dicht zusammengepreßten Gelb- Mülls täglich in den Verbrennungsöfen des Wärmewerks der Stadt Linköping landen. Die Stadt muß für diesen Brennstoff nicht nur nicht bezahlen, sie erhält von den deutschen Entsorgungsfirmen auch noch ein Aufgeld – der genaue Betrag ist Betriebsgeheimnis.

Diesen Müllexport hat der private schwedische Fernsehsender TV 4 enthüllt. Fünf Prozent des gesamten Brennstoffverbrauchs des Wärmekraftwerks werden inzwischen mit Hilfe der deutschen Plasteexporte erzeugt. Dem Vernehmen nach stehen weitere Kommunen in Verhandlungen mit Entsorgungsfirmen. Daß das, was bei diesem Exportgeschäft aus Lkw-Auspuffrohren und den Schornsteinen des Wärmekraftwerks kommt, nicht unbedingt im Sinn deutscher MüllsortiererInnen sein dürfte, stört den Produktionschef in Linköping, Ingvar Carlsson, nicht. Zum einen vertraut er auf die Reinigungskraft der Filteranlagen. Zum anderen glaubt er, daß die grün gefärbte Bilanz durchaus aufgeht. „Wir machen nicht nur ein gutes Geschäft, sondern leisten auch einen Beitrag zum Umweltschutz. Die Verpackungen, die hierher kommen, lohnen ja offenbar eine Wiederverwertung nicht, und hier können sie zumindest einen Beitrag zur Energiegewinnung liefern.“

Der handfeste Beweis dafür, wie schlecht das Duale System funktioniert, zumindest was die Wiederverwertung von Plastikmüll angeht, kommt in Schweden zu einem ganz besonderen Zeitpunkt: Gerade will man ein ähnliches, von Deutschland inspiriertes Konzept umsetzen. Zwar waren die SchwedInnen schon immer WeltmeisterInnen beim Sammeln von Aluminiumdosen und halten gut mit in der Spitzengruppe bei Glas und Altpapier. Ansonsten wanderte bislang aber jeder Rest unsortiert auf Kippen und in Verbrennungsöfen.

Mit dem Inkrafttreten der EU- Müllverordnung zum 1. Juli ist damit aber Schluß. Bis hin zur Milchtüte soll alles wiederverwendet werden. Im Prinzip. Doch sowenig wie in Deutschland oder anderen EU-Ländern gibt es ein realistisches Konzept dafür, was mit den eingesammelten Plastikmüllmassen eigentlich geschehen soll. Reinhard Wolff