Dokumentation
: „Steinmetz an RAF-Aktionen nicht beteiligt“

■ Das inhaftierte RAF-Mitglied Birgit Hogefeld legt gute Worte für ein Frankfurter Wohnprojekt ein

Die Mitglieder eines Wohnprojektes in der Fritzlarer Straße in Frankfurt/Main sind unerwarteten Besuch gewohnt. Mehrfach wurden in den vergangenen Monaten ihre Wohnungen auf Antrag der Bundesanwaltschaft durchsucht.

Anlaß war die Hinterlassenschaft des V-Mannes Klaus Steinmetz, der den Fahndern den Weg zur sogenannten Kommandoebene der Roten Armee Fraktion ebnete. Weil an Fahrzeugen des Spitzels Spuren von Sprengstoff gefunden wurden, ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen den früheren Bekanntenkreis von Steinmetz wegen des Verdachts einer Beteiligung am Sprengstoffanschlag auf den Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt im März 1993. Birgit Hogefeld, Mitglied der RAF und derzeit in Frankfurt vor Gericht, widerspricht dem Konstrukt der Ankläger. Das Magazin Focus berichtet heute, daß der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof gegen Steinmetz in dieser Sache einen Haftbefehl erlassen hat:

Jetzt sitzen also vier Leute aus der „Fritzlarer Straße“ in Frankfurt in Beugehaft, weil sie sich weigern, gegen ihre Mitbewohnerin Andrea W. auszusagen.

Kurz zu den Hintergründen. Nach der Polizeiaktion von Bad Kleinen, bei der Wolfgang Grams erschossen wurde und ich verhaftet worden bin, wurde gegen den VS-Spitzel Steinmetz ein Ermittlungsverfahren wegen des Sprengstoffanschlags auf den Gefängnisneubau in Weiterstadt eingeleitet.

Anfangs hieß es, Steinmetz sei vorab von der RAF befragt worden, ob er diese Aktion befürwortet, im Laufe der Zeit wurde er dann zum „Mitglied der Kommandoebene der RAF“ aufgebaut und seine Beteiligung an der Weiterstadt-Aktion behauptet.

Um diese Version zu untermauern, wurden Sprengstoffspuren in einem Motorradkoffer von Steinmetz „gefunden“ – da sich das dazugehörige Motorrad mittlerweile im Besitz von Andrea W. befand, gab es in der Folgezeit mehrere Durchsuchungen der „Fritzlarer Straße“.

Kürzlich brachte ein Fernsehmagazin einen Bericht, der dahin ging, daß die Behauptung von Steinmetz' Beteiligung an der Weiterstadt-Aktion als politischer Angriff der CDU gegen Scharping konzipiert gewesen sei.

Wäre Steinmetz tatsächlich in die RAF eingebunden und an der Weiterstadt-Aktion beteiligt gewesen, dann hätte das bedeutet, daß Scharping, als damaliger Ministerpräsident in Rheinland- Pfalz, entweder keine Kontrolle über sein Innenministerium gehabt hätte, oder er hätte eine nicht haltbare Entscheidung getroffen – so oder so, ein Ministerpräsident, dem derartige Fehler unterlaufen, hätte sich damit als Kanzlerkandidat disqualifiziert.

Sind die „Sprengstoffspuren“ in der Fritzlarer Straße also Teil einer von der CDU georderten Geheimdienstaktion gegen den ehemaligen Kanzlerkandidaten der SPD? Ob das der Plan war, der hinter diesen „Funden“ steht, weiß ich nicht, es hätte auf jeden Fall Logik. Ein anderes, wichtiges Moment in diesem Zusammenhang ist die Kriminalisierung von Leuten, die der „Radikalen Linken“ zuzurechnen sind.

Ob „Fritzlarer Straße“, die Verfahren gegen die Zeitschrift Radikal, wegen der vier Leute viele Monate in Einzelhaft saßen, oder im Prozeß gegen mich – Bundesanwaltschaft, BGH beziehungsweise Staatsschutzsenate agieren weiter nach den seit den Siebzigern bekannten Mustern.

Es reicht das fehlende Impressum einer Zeitschrift als Begründung für Verfolgung oder im Fall Andrea W. und Fritzlarer Straße ominöse „Sprengstoffspuren“ an Gegenständen eines VS-Spitzels. Die Tatsache, daß es seit einigen Jahren auf seiten der Linken nur wenige Initiativen, dafür aber unzählige Fragen, kaum Antworten und verbreitete Resignation gibt, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Und so werden auch heute ständig neue Ermittlungsverfahren, Drohungen, Beugehaft und Haftbefehle fabriziert, mit denen Leute in die Illegalität getrieben werden, oder sollte ich besser sagen: getrieben werden sollen? – denn vieles ergibt nur einen Sinn, wenn es dazu dienen soll, die Eskalation wieder hochzuschrauben.

Was ich gegen diese Konstruktion Steinmetz-Weiterstadt-Fritzlarer Straße sagen kann ist, daß es keine wie auch immer geartete Beteiligung oder Einbindung von Steinmetz in die Weiterstadt-Aktion oder andere Aktionen der RAF gegeben hat.

Ich kann das deshalb mit Sicherheit sagen, weil ich über alles, was den Kontakt zwischen uns, der RAF und Steinmetz betraf, informiert gewesen bin.

Wenn es tatsächlich Sprengstoffspuren in oder an irgendwelchen Gegenständen aus dem Besitz von Steinmetz in der Fritzlarer Straße gab, dann haben sie auf jeden Fall nichts mit der RAF und nichts mit der Weiterstadt-Sprengung zu tun. Birgit Hogefeld, Jan. 1996