Israel gratuliert und setzt Arafat unter Erfolgsdruck

■ Der Wahlsieger soll dafür sorgen, daß die Charta der PLO umgeschrieben wird. Doch dazu gehört eine Zweidrittelmehrheit im palästinensischen Exilparlament

Tel Aviv (taz) – Die israelische Regierung reagierte offiziell mit großer Freude über das Ergebnis der palästinensischen Wahlen. Doch sie stellt auch Forderungen an den Wahlsieger Jassir Arafat. Der PLO-Chef soll nun dafür sorgen, daß die Charta der Palästinensischen Befreiungsorganisation in wichtigen Teilen umgeschrieben wird.

„Die erste demokratische Erfahrung der Palästinenser ist demokratischer als das, was wir aus Ägypten und Syrien kennen“, erklärte der israelische Ministerpräsident Schimon Peres am Sonntag bei einer Regierungssitzung zum Ausgang der Wahlen. Die Abstimmung sei „die beste Garantie für den Frieden“. Die oppositionellen Islamisten von Hamas und Dschihad al-Islami könnten den Erfolg Arafats nur noch mit Waffengewalt zu schlagen suchen. Prognosen über die angebliche Stärke der Islamisten hätten sich durch die hohe Wahlbeteiligung als falsch erwiesen.

Israel fordert jetzt von der palästinensischen Führung, innerhalb von zwei Monaten die Charta der PLO entsprechend dem Oslo-II- Abkommen zu revidieren. Vor allem jener Passus, der das Existenzrecht Israels in Frage stellt, müsse ersatzlos gestrichen werden. Andernfalls – so warnen israelische Regierungsvertreter – würde der für den 4. Mai vorgesehene Beginn der Verhandlungen über die Endphase der palästinensischen Selbstverwaltung auf unbestimmte Zeit verschoben. Die Gespräche, die sich unter anderem um den zukünftigen Status von Jerusalem drehen werden, sollen laut dem Osloer Abkommen zwischen zwei und drei Jahre dauern.

Doch für eine Änderung der PLO-Charta ist eine Zweidrittelmehrheit im mehr als 400 Mitglieder zählenden „Palästinensischen Nationalrat“ (PNC) erforderlich, dem Exilparlament der PLO. Eine solche Mehrheit für Arafat ist in dem Gremium, das zuletzt 1991 vollständig zusammengekommen ist, alles andere als sicher. Der amtierende PNC-Präsident Salim Saanun erklärte bereits, der Nationalrat werde seine Charta nur ändern, wenn zuvor die Israelis vollständig aus dem Westjordanland abgezogen seien und alle PalästinenserInnen in israelischer Haft auf freien Fuß gesetzt würden. – Die israelische Regierung denkt daran nicht im Traum.

Rein technisch stünde einer Sitzung des PNC im Gaza-Streifen oder im Westjordanland von israelischer Seite nichts mehr im Wege. Direkt nach den palästinensischen Wahlen hob die israelische Regierung das bisherige Einreiseverbot für Mitglieder des PNC auf. Allerdings wird in West-Jerusalem mit Sicherheit angenommen, daß nur ein kleiner Teil der PLO-Delegierten von der Einreisemöglichkeit Gebrauch machen wird. Prominente Arafat-Kontrahenten wie der Chef der linken „Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas“ (DFLP), Naif Hawatmeh, erklärten bereits, sie würden vorerst im Exil bleiben.

In Israel wird daher die Möglichkeit erörtert, daß Arafat abwesende Mitglieder des PNC durch im Westjordanland und im Gaza- Streifen lebende Palästinenser ersetzt. Zusammen mit den ungefähr 200 für diese Gebiete zusätzlich reservierten PNC-Mitgliedern könnte es Arafat vielleicht gelingen, die nötigen Stimmen für eine Änderung der Charta zusammenzubekommen. Amos Wollin