Imam von Tadschikistan ermordet

■ Ein harter Rückschlag für die Gespräche zur Beendigung des Bürgerkrieges in der Ex-Sowjetrepublik in Mittelasien

Berlin (taz) – In der Nacht zum Montag drang eine Gruppe Bewaffneter in das Haus von Fathullah Khon Scharifzode in der Stadt Hissar, wenige Kilometer westlich der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe, ein und erschoß und seine gesamte Familie. Das meldete gestern die britische BBC unter Berufung auf Regierungsquellen in Duschanbe. Scharifzode war der Imam Tadschikistans und damit ranghöchster Muslim in der fünf Millionen EinwohnerInnen zählenden mittelasiatischen Republik. Die Täter sind bisher unbekannt.

Doch die Regierung wird die Bluttat unweigerlich der bewaffneten Opposition anlasten. Ihr war Scharifzode wegen seiner Regimenähe ein Dorn im Auge. Sie erkannte ihn nicht an, weil er 1993 einseitig von Duschanbe in sein Amt eingesetzt worden war. Damals hatte der Geistliche die Nachfolge des populären Hadschi Akbar Turadschonzoda angetreten, der seit Anfang der neunziger Jahre erster eigenständiger Imam des Landes nach dessen Ausscheren aus der zerbrechenden Sowjetunion war. Nachdem dieser anfangs eine Vermittlerrolle im Bürgerkrieg zu spielen versucht hatte und deshalb auf die Abschußliste regierungsnaher Paramilitärs geraten war, floh er ins Ausland und schloß sich dort dem Oppositionsbündnis an. Inzwischen fungiert er als dessen Chefunterhänder bei den Friedensgesprächen mit der Regierung. Mit der Einsetzung Scharifzodes nahm Duschanbe die sowjetische Gewohnheit wieder auf, staatlich sanktionierte „Islamfunktionäre“ zu etablieren.

Der Mord an Scharifzode ist ein harter Rückschlag für die gegenwärtig laufenden Bemühungen um eine Beendigung des 1992 ausgebrochenen Bürgerkrieges. Nach offiziellen Angaben haben die Kämpfe zwischen der spätkommunistischen Führung in Duschanbe und einer heterogenen Allianz aus radikalen und gemäßigten Islamisten, liberalen Demokraten sowie Regionalisten mindestens 20.000 Menschenleben gekostet.

Bis Mitte Dezember sah es so aus, als sollte der Friedensprozeß zu einem erfolgreichen Ende kommen. Die Delegationen beider Seiten hatten sich unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Ramiro Piriz Ballon und russischer Einflußnahme bereits in der turkmenischen Hauptstadt Aschchabad getroffen, um eine konkrete Umsetzung des bereits 1994 vereinbarten „Protokolls über die Hauptprinzipien zur Konsolidierung des Friedens und der nationalen Übereinkunft“ auszuhandeln. Dessen Hauptpunkte: Rückführung der Zehntausenden von Flüchtlingen aus den Nachbarländern, Entwaffnung aller irregulären bewaffneten Kräfte und Art und Weise der Einbeziehung der Opposition ins politische Leben des Landes. Tadschikistans Staatschef Imomali Rahmonow kündigte optimistisch an, seine Regierung werde „alle Anstrengungen unternehmen, damit die bevorstehende Gesprächsrunde mit der Opposition die letzte wird“. Doch dann brachen neue Scharmützel aus, bei denen auch der aus Österreich stammende Chef der UN-Beobachtergruppe Unomot ums Leben kam. Die Gespräche in Aschchabad wurden unterbrochen. Dieser Tage sollten sie fortgesetzt werden ... Thomas Ruttig