CSU-Gesundheitsminister Seehofer auf Schmusekurs mit Pharmabauern

■ Regierung stoppt gefährliche Breitbandantibiotika in deutschen Rinderställen nicht – seit 1994 in der EU verboten

Berlin (taz) – Eigentlich ist die Aufgabe ganz einfach. Die EU hat beschlossen, daß Antibiotika, die den Wirkstoff Chloramphenicol enthalten, in Rinder- und Schweineställen nichts mehr zu suchen haben (taz 7.12.95). Die Bundesregierung bräuchte nur noch die Anwendung der Mittel unter Strafe zu stellen. Doch dazu ist es bislang nicht gekommen.

Verantwortlich dafür sei Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU), schimpft jetzt die SPD. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärwesen (BgVV) habe schon am 29. September 1995 den Minister darauf ausmerksam gemacht, daß das Breitbandantibiotikum trotz des Verbots weiter in vielen Ställen eingesetzt werde. Das BgVV riet damals dringend „angesichts der nicht auszuschließenden Gesundheitsgefährdung der Verbraucher“, die rechtlichen Maßnahmen zu verstärken.

Chloramphenicole können in entsprechenden Dosen zu irreversiblen Blutbildstörungen und Knochenmarkschwund führen, womöglich sogar das Erbgut verändern. Bis zu 8.000 Menschen in Deutschland könnten zudem durch das Medikament an lebensgefährlicher aplastischer Anämie erkranken, einer Bluterkrankung.

„Passiert ist bisher trotzdem nichts“, schimpfte gestern der SPD-Abgeordnetete Wolfgang Wodarg. Wodarg kündigte an, den Medikamentenskandal jetzt im Bundestag auf die Tagesordnung zu setzen. Dahin gehört der Chloramphenicolskandal schon lange. „Wir raten unseren Landwirten immer, sich beim Einsatz von Medikamenten gesetzeskonform zu verhalten“, erklärt zwar der Sprecher des Deutschen Bauernverbandes. Doch bis zu 15 Prozent der Rindfleischproben sind trotzdem belastet. Im Bundesgesundheitsministerium war man sich gestern keiner Schuld bewußt. „Das Verbot ist da, die Überwachung ist Sache der Länder“, so Meike Mader vom Ministerium. Ganz so einfach wird Seehofers Ministerium die Verantwortung allerdings nicht los.

„Mehr Kontrollen durch die Länderbehörden würden uneinsichtige Landwirte sicher abschrecken“, bestätigt auch Irene Lukassowitz vom BgVV. „Aber damit sind die Überwachungsbehörden finanziell schlicht überfordert.“ Zur Abschreckung fehlt es nicht vor allem an Überwachung, sondern an Gesetzen. Bauern, die das verbotenen Medikament einsetzen, können nämlich derzeit nicht bestraft werden. Nur das In- Verkehr-Bringen von belastetem Fleisch ist strafbar, nicht der Verkauf gespritzer Rindviecher. Und Tierärzte dürfen das Medikament zwar nicht an Bauern verkaufen, das Selberspritzen aber ist nicht strafbar. ten