Waffenschmuggel im Dienste eines Regimes

■ Anklage fordert Bewährungsstrafe und Geldbuße für Schalck-Golodkowski

Berlin (taz) – Er sitzt wie immer da, im dunkelblauen Anzug, leicht zurückgelehnt und ohne sichtbare Regung. Konzentriert folgt Alexander Schalck-Golodkowski, der einstige Chefdevisenbeschaffer der DDR und Herrscher über den „Bereich Kommerzielle Koordinierung“, dem Vortrag seines Anklägers. Oberstaatsanwalt Theodor Bosche plädiert im Berliner Kriminalgericht seit über einer Stunde – über Schalck. Bosche will den 63jährigen verurteilt sehen. Und eine „akut spürbare Strafe“ sollte es schon sein.

Penibel listet der Oberstaatsanwalt die Verfehlungen auf, die Schalck während der letzten drei Jahre der DDR begangen haben soll und die Bosche nach über vier Monaten Verhandlungsdauer vor der fünften großen Wirtschaftskammer „bei lebensnaher Betrachtungsweise“ als erwiesen erachtet. Danach hat Schalck für seine „Bedarfsträger“ Waffen und militärisches High-Tech geschmuggelt: Nachtsichtgeräte für die NVA, Pistolen und Revolver zur militärischen Erprobung, Jagdwaffen für hohe Repräsentanten – Material im Wert von rund neun Millionen Mark. Dessen Schmuggel, so Bosche, stelle einen durchgängigen Verstoß gegen das „Militärregierungsgesetz Nr. 53“ der Nachkriegszeit dar, das später in das Wirtschaftsstrafrecht der Bundesrepublik übernommen wurde.

Der Staatsanwalt als Rechenkünstler: Wollte er die „Faustregel“ anlegen, wonach das größte einzelne Delikt mit der Hälfte der aufsummierten anderen addiert wird, dann müßte er eine Gesamtstrafe von 52 Monaten verlangen. Da Schalck aber zur Aufklärung einzelner Geschehensabläufe beigetragen habe, es auch weniger um eine Gefährdung der Sicherheit der BRD, sondern vorrangig um die Verletzung deren wirtschaftlicher und politischer Interessen gegangen sei, gibt sich der Ankläger mit einem Strafmaß von eineinhalb Jahren „als angemessen“ zufrieden. Bosche legt den Richtern nahe, die Strafe auf drei Jahre Bewährung auszusetzen. Weil das Urteil dennoch „akut spürbar“ sein soll, forderte er weiter eine Geldbuße von 100.000 Mark.

„Hohe Intelligenz“ und „große kaufmännische Fähigkeiten“ gesteht der Ankläger dem Angeklagten zu. Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß Schalck sich keinesfalls auf einen „Verbotsirrtum“ herausreden könne, er sei sich der Illegalität seiner Handlungen bewußt gewesen. Auch Schalcks Einlassung zu Verfahrensbeginn will Bosche so nicht stehenlassen. Im September hatte der Angeklagte angeführt, „meinem Land gedient und mein Amt nach bestem Wissen und Gewissen ausgeübt“ zu haben. Ein „merkwürdiger Dienst“ meint Bosche, „eher schon ein Dienst an einem Regime“. Wolfgang Gast