: Funkeln ohne Funken
■ Jo van Nelsen sang Lieder von Altmeistern und sich selbst
„Ich bin einfach ein junger Mann“, sagt der Chansonnier Tim Fischer so gerne über sich. So ist das nunmal im Leben: Man gibt sich nicht nur anders, als man ist, man sieht sich selbst auch noch anders als alle anderen. Jo van Nelsen, der ähnliches tut wie Tim Fischer, würde sich sehr wahrscheinlich nicht so einschätzen, aber er ist es: einfach ein junger Mann.
Immer wieder erwartet, immer wieder erstaunlich, war das Schmidt-Theater auch am Montag abend bestens besucht, als Jo van Nelsen zum ersten Mal einen abendfüllenden Auftritt in Hamburg hatte. Leute von 20 bis 70 Jahren, die sich alle sehr hübsch gemacht hatten und sich mit feinen Flüssigkeiten, genehmer Gestik und Gesang verwöhnen lassen wollten, fanden am Spielbudenplatz, was sie suchten.
Es leuchten die Sterne heißt das Programm, das der 27jährige Hesse mit dem Charme eines Kaffee-und-Sahnetörtchen-Kellners vortrug. „Ein Chansonabend für Nachtschwärmer, Mondsüchtige und Kleine Prinzen“ sollte das werden, aber van Nelsen sang neben Musik und Texten von Altmeistern wie Kurt Tucholsky und Friedrich Hollaender auch Schlager a la „Lady Sunshine und Mr. Moon“ sowie neue Lieder von Rainer Bielfeldt, Friedhelm Kändler und sich selbst.
Da Sterne in solcherlei Sangesgut ohnehin obligatorisch seien, gab der Darbieter gleich auch noch zu, daß er unter dem Motto des Abends einfach Lieder zusammengestellt habe, die er immer schon mal singen wollte. Da möchte man annehmen, daß van Nelsen sich mit den Texten und der Musik auf welche Weise auch immer identifiziert. Sein Vortrag entsprach dieser Annahme aber keineswegs.
Denn wie ein Kabarettist zeigte er sich über sich und dem Gesungenen stehend, was auch einen gewissenen Abstand zum Publikum nach sich zog. Der Funke sprang nur sehr langsam über. Und das an einem Abend, der dem funkelnden Firmament gewidmet war!
Jo van Nelsen kann singen, und zwar richtig gut. Genauso gut, wie sein Pianist Clemens Kanka spielt. Das wußte das Publikum zu schätzen – und es vermißte Originalität und Schauspiel.
Nele-Marie Brüdgam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen