Ohne Ornamentik

■ Die Reggae-Sängerin Dawn Penn vertont feminine Unbehaustheit im Dub

Wenn gar nichts mehr geht, dann füllt „You Don–t Love Me (No, No, No)“ immer noch die Tanzflächen. Bereits das scharrende Intro löst neuerdings Glückshormone aus, die sich nicht recht nachvollziehen ließen. Ist doch der Riddim einer der ältesten Rhythmusmuster Jamaicas, die Version, von Dawn Penn bereits 1969 verfaßt, auch schon etwas angestaubt.

Ähnlich wie Shaggy mit „O Carolina“ gelang es der Reggae-Sängerin, dieser Blaupause weiblichen Verlassenwerdens und femininer Unbehaustheit eine neue Aktualität einzuflößen. Das liegt nicht zuletzt an der erkalteten und verhaltenen Dub-Stimmung, entfernt an Trip-Hopigkeiten erinnernd, mit der Steely and Cleevie den Standard remixten. Für einmal entsprach die Zustandsbeschreibung einer in ihrer Abhängigkeit gefangenen Frau, die sich nicht lösen kann, obwohl sie weiß, da er sie nicht mehr liebt dem in Moll gehaltenem Dub, nur sparsam von Ska-Bläsern durchsetzt.

Und für einmal hatte Dawn Penn, die zum ersten Mal als Background-Sängerin von Johnny Nash in den Musikannalen auftauchte, einen weltweiten Chartserfolg, den ihr wohl keiner mehr zugetraut hatte. Daß sie dabei beileibe kein One-Hit-Wonder ist, zeigt die Sängerin und Schauspielerin auf ihrer aktuellen LP, die neben Klassikern wie „The First Cut Is The Deepest“ eine Handvoll ihrer über 400 Songs aufregend zurückhaltend neuinszeniert. Selten verläßt sich Dawn Penn dabei wie ihre jüngeren Kolleginnen auf üppige Ornamentik, sondern bleibt stets bescheiden im Ton und mit einem Schalk im Gesicht. So gelingt es ihr mit einiger Erfahrung weitgehend, selbstgefälliges Stimmungsgehuber für die internationale Mittelklasse zu umkurven.

Bei ihrem ersten Hamburg-Auftritt seit Jahren kommt die zierliche Chanteuse mit George Dekker, einem anderen Ska-und Reggae-Altmeister angereist. George ist der jüngere Bruder von Desmond Decker, dem ersten noch vor Bob Marley erfolgreichen Reggae-Interpreten und höchstselbst Ex-Mitglied der Pioneers, einem Vokal-Quintett, das in den 70ern einige Hits aufweisen konnte.

Es ist zu vermuten, daß das in die Jahre gekommen Duo, unterstützt von der altehrwürdigen Backing-Band Junction, mehr als eine Fußnote der Reggae-Geschichte vertonen wird.

Volker Marquardt

So, 28. Januar, 21 Uhr, Logo