Ohne Konservierung

■ Anspruch und Avantgarde statt Hymnen: David Bowie erscheint bei seiner „Outside“-Tour als Detektiv

Ein tödlicher Autounfall, unmittelbar nach der Fertigstellung des Albums Low 1977, das wäre es nach Meinung des Ex-Smiths-Sängers Morrissey gewesen, um den Ruhm seines Idols David Bowie für alle Ewigkeit zu konservieren. Naja, die These, daß eine Leiche keine schlechten Platten mehr veröffentlichen kann, ist seit dem jüngsten Beatles-Album hinlänglich widerlegt. Und die Faszination an der Person David Bowie ist ungebrochen, obwohl er seit 18 Jahren nur noch Musik zum Kartoffelschälen produziert, wie der Stern zu recht befand.

Aber auch David Bowie selbst versucht sich auf die Zeit zurückzubesinnen, in der er zusammen mit Brian Eno in Berlin Meisterwerke wie Heroes und Low schuf. Deshalb nahm er bei seinem neuesten Album Outside nach 18jähriger Pause wieder die Avantgarde-Ikone Eno in Anspruch. Heraus kam dabei allerdings ein sehr sperriger Tonträger, der kommerziell ein Desaster ist und künstlerisch weit hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückbleibt. Dennoch wird dieses Mal Outside im Vordergrund stehen. Auf ein Best-Of-Konzert wird das Publikum also vergeblich hoffen. An altem Material hat Bowie nur selten gespieltes wie „Andy Warhol“ und „The Man Who Sold The World“ im Programm. Megaseller wie das unsägliche „Dancing In The Street“, „Let's Dance“ und alles, was den 49jährigen in den 80ern zu einem Multimillionär machte, werden komplett ausgeklammert. Denn nur mit Abscheu kommentiert Bowie heute diese Schaffensperiode: „Das Dümmste, was mir passieren konnte, war es, einen großen Hit zu haben. Ich war nie auf die Masse aus, und plötzlich war ich sogar auf Kaugummi-Abziehbildchen. Eine Katastrophe.“

In seinem Selbstverständnis wäre David Bowie lieber wieder so etwas wie ein Held der Subkultur wie in den 70er Jahren, als er mit Alben wie The Man Who Sold The World, The Rise And Fall of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars, Young Americans und soweiter der Popmusik den Weg in andere Sphären wies. Einer Zeit, in der der Nebenberufsschauspieler auf der Bühne den polysexuellen Alien mimte und auf der Leinwand den Mann, der vom Himmel fiel.

Die Kunstfiguren, die David Bowie auf seinem als ersten Teil einer Trilogie ausgelegten Album Outside erschaffen hat, sind erwachsener als Ziggy Stardust und Konsorten. Etwa der Detektiv Nathan Adler, der Protagonist einer wirren Geschichte von Mord aus Liebe zur Kunst. Musikalisch fehlen Outside die großartigen, teils hymnenartigen Melodien, die dramatischen Posen, die Bowies Platz im Pop-Olymp rechtfertigen. Die Texte wurden, um vollends den Avantgarde-Anspruch zu erfüllen, in den Zufallsgenerator eines Computers eingespeist und die vom High-Tech-Blechtrottel ausgespieenen Wortfetzen wurden so zu Songtexten.

In den 80er Jahren sagte David Bowie einmal: „Ich möchte eine so kompromißlose Platte machen, daß ich am Ende überhaupt kein Publikum mehr habe.“ Davor rettet ihn am Donnerstag vielleicht seine enorme Bühnenpräsenz.

Kai Rehländer

Do, 25. Januar, Alsterdorfer Sporthalle, 19 Uhr