Ein blutrotes Lied von hellem Grün

■ Posse und Bürokraten-Schelte: das Road-Movie Guantanamera sympathisiert kritisch mit Kuba

Jeder kennt das Stück, die meisten können zumindest den Refrain mitsingen. Doch nur wenige bleiben bis zur Strophe dabei. „Guan-tanamera“ heißt das Stück und die Strophe „Mein Lied ist von hellem Grün, aber auch blutrot wie die Flamme“ legt nahe, warum jene 1941 von José Fernández Diaz geschriebene Hymne an die „guajira“, ein Bauernmädchen aus der Provinz Guantánamo, in Kuba politisch verstanden wird. Das kleine Lied mit nur vier Versen gilt als Protest gegen den US-amerikanischen Stützpunkt Guantánamo, den Kubanern als imperialistisches Sinnbild seit 1903 ein Dorn im Auge.

„Guantanamera“ ist das musikalische Thema des gleichnamigen Films. Und wie das Stück verfährt auch die Komödie, die Tomás Gu-tirrez Alea mit Juan Carlos Tabo drehte. Auch er erzählt von einer „amour fou“ und meint gleichzeitig noch etwas anderes. Wie schon in dem Überraschungserfolg Erdbeer und Schokolade, gelingt dem Regie-Duo mit demselben Ensemble, anhand eines liebevollen Road-Movies die Lebensumstände in Kuba, fern aller ideologischer Karikaturen zu zeigen. Etwa, wenn sich auf dem Weg durch die Insel der Planwirtschaft nur unter Schwierigkeiten Proviant auftreiben läßt. Entweder es gibt nur Tamarindensaft, sobald das Eis da ist, oder der engstirnige Beerdigungsbeamte und Musterbürokrat Adolfo muß erdulden, daß nur die grünen Dollars als Währung für Knoblauchzehen am Straßenrand gelten.

Aleas Blick ist nicht frei von riskanter Kritik. Doch seine Schmäh richtet der überzeugte Kommunist, der mit Der Tod eines Bürokraten bekannt wurde, gegen die Geißel der kleinen Leute, gegen menschenverachtende Philister und Apparatschiks, wie Adolfo einer ist. Der Leichentransport, an dem sich die Geschichten aufreihen, passiert aber auch Zeichen der Improvisation und der Solidarität. So landet die Trauergesellschaft in einer „palada“, einem halblegalen Imbiß in einem halbfertigen Haus. Dort trifft der Trucker Mariano (Jorge Perrugorra) seine ehemalige Professorin Georgina (Mirtha Ibarra). Zum Schweinsbraten gesteht er nach Jahren der Ehefrau des Bestatters seine Liebe.

In der Folge kreuzen sich die Wege des Trucks und des als Farce inszenierten Leichenzugs auf dem Weg von Guantánamo nach Havanna immer häufiger. Und der Schwerenöter Mariano muß einige peinliche Situationen in den Armen von notgeilen Schrankenwärterinnen bestehen, bis er Georgina auf dem Drahtesel durch den Regen fahren kann. Entscheidenden Anteil daran hat der lebensmüde Witwer Cándido, der von sich selbst sagt, daß ihm das Leben immer kleiner wird, indem er der Ehefrau rät: „Wenn das Gebiß weh tut, ist der entscheidende Moment im Leben gekommen. Und den sollte man nicht verpassen!“ Manchmal merkt man auch bei Guantanamera sein Gebiß ganz deutlich. Volker Marquardt

Abaton