Elternproteste gegen neues Kita-Gesetz

■ Sämtliche Kita-Plätze werden seit Januar von den Jugendämtern verwaltet. Dort wird entschieden, ob ein Kind einen ganzen oder einen halben PLatz bekommt

Seit Anfang diesen Jahres besteht auch in Berlin ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Doch statt heller Freude grassiert unter den Eltern die Panik. Denn laut Kita-Gesetz legen künftig die bezirklichen Jugendämter fest, wie lange ein Kind in einer Kita betreut wird.

Das gilt in diesem Jahr erstmals für alle Eltern, die für ihre Kids nach den Sommerferien – zum neuen Kita-Jahr – einen Platz brauchen. Anhand eines mehrseitigen Anmeldeformulars müssen sie dem Jugendamt mitteilen, wie lange sie arbeiten, ob sie alleinerziehend, verheiratet oder in „wilder Ehe lebend ihren Alltag managen. Nach diesen Kriterien wollen die Jugendämter festlegen, wie lange die Knirpse in die Kita dürfen, sprich: ob sie einen Anspruch auf einen halben oder ganzen Kita- Platz haben. Dieses Verfahren betrifft sowohl städtische Kindertagesstätten, Kitas freier Träger oder Eltern-Initiativ-Kitas.

Grundlage für dieses Reglement von Angebot und Nachfrage sei das am 1. Januar in Kraft getretene Berliner Kita-Gesetz, rechtfertigt die Senatsjugendverwaltung die Datenerhebung. Alle Kinder, die bis zum 1. August diesen Jahres 3 Jahre alt sind, hätten einen rechtlich gesicherten Anspruch auf einen Kita-Platz, und die Verwaltung sei angewiesen, den Willen des Gesetzgebers zu erfüllen. Da aber die Ganztagsplätze vor allem in den westlichen Bezirken rar sind und längst nicht für alle Kinder reichen, sollen sie wenigstens gerecht verteilt werden, erklärt Heide Rienits von der Senatsjugendverwaltung. Anhand des Anmeldeformulars soll nun festgestellt werden, wer am dringendsten einen ganzen Kita-Platz braucht. Denn gesetzlich garantiert sei nur eine Halbtagsbetreuung.

„Wenn ich an die Konsequenzen denke, packt mich die kalte Wut“, protestiert eine Mutter. Dieses Verfahren sei frauen- und familienfeindlich, kritisiert auch die Sprecherin des Bezirkselternausschusses Kreuzberger städtischer Kindertagesstätten, Susanne Falke. Es grenze ja schon an Entmündigung, wenn sich Eltern vorschreiben lassen müßten, wie lange sie ihr Kind in die Kita geben dürften. Auch die Sprecherin des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Elfi Witten, kritisiert das Verfahren. Dieses Anmeldeverfahren sei kompliziert. Viele Eltern könnten die Bögen gar nicht alleine ausfüllen.

Doch nicht nur die Eltern sind verunsichert, sondern auch die Jugendämter. Unklar ist, welche Kriterien die Behörden zur Bedarfsfeststellung festlegen, das heißt, welche Betreuungszeit etwa eine arbeitslose Mutter oder eine Sozialhilfeempfängerin bekommt. Offen ist auch, wie zum Beispiel unregelmäßige Wochenarbeitszeiten von KünstlerInnen berechnet werden. Klar ist nur soviel: Für alle Kinder, die vom 1. August an drei Jahre alt sind, besteht ein Rechtsanspruch nur für einen Halbtagsplatz. Was über diese Betreuungszeit hinausgeht, muß begründet werden. Im „Blindflug“ geben die Eltern ihre Daten weiter, und in den Jugendämtern weiß niemand, mit welchen Prioritäten ausgewertet werden muß, kritisiert denn auch Norbert Bender vom Dachverband der Kinder- und Schülerläden.

Bei der Anmeldung für Krippen- und Hortplätze aber gelten weiterhin die bekannten Dringlichkeitsstufen. Vorfahrt hat hier die alleinerziehende und berufstätige Mutter. Alle anderen Mütter und Väter müssen sich hinten anstellen. Michaela Eck