Wie der Kanzler den runden Tisch leimte

39 edle RitterInnen und eine Mission: Rettung des deutschen Sports. Das wahre Drama findet sich unterm Tisch  ■ Von Jupp Langegasse

38 Männer und 1 Erika wird jener runde Tisch zusammenführen, an dem die deutschen Eliten der Gesellschaft eine Zukunft des Sports sichern wollen. Es geht darum, den kleinen Stiefbruder Sport so zu definieren, daß die großen Brüder Wirtschaft und Politik sich dazu herablassen, ihn auf ihrem Marsch in eine blühende Zukunft mitzuschleppen. Es ist ein großer Tisch, an dem Platz für viele ist. Joschka Fischer wird genauso kommen dürfen wie Manfred Kanther, Bertelsmann, Bayer und die Lufthansa. Nachdem kaum zweieinhalb Jahre ins Land gezogen sind, seit man das Möbel theoretisch konzipiert hat, ist es am 13. Februar auch schon soweit. Da eine solche Versammlung kein Kegelklub ist, sind Terminabsprachen nicht immer einfach. Fast schien es bisweilen, als würde es nie etwas mit diesem Tisch. Da aber hat sich ein Mann schließlich aufgerafft. Sein Name? Helmut Kohl. Was nie zuvor ein Mensch erfuhr: Wie der Kanzler den Tisch leimte. Exklusiv. Hier. Jetzt.

1. Szene Der Kanzler spricht

Im Kanzleramt.

Kohl: Machen Sie endlich den Termin für diesen Tisch, Bohl. Der Kleinert liegt mir ständig mit seinem Reuter in den Ohren. Der will eine anständige Arbeit kriegen. Soll er halt den ... (lacht vergnügt in sich hinein) ... Initiativkreis Sport und Wirtschaft leiten, der auf diesen runden Tisch folgen soll.

Bohl: Herr Bundeskanzler, da gibt's Widerstand in der Wirtschaft. Herr Maus von Obi lehnt Reuter ab, weil er keine Dominanz von Daimler will.

Kohl: Wer ist diese Maus?

Bohl: Baumärkte, viele, mitten in den blühenden Landschaften im Osten.

Kohl: Soll ruhig sein und weiterbauen. Was ist mit dem Fernsehen?

Bohl: Stolte vom ZDF und Scharf von der ARD sind geplant.

Kohl: Uninteressant. Was ist mit meinem Freund Leo?

Bohl: Der fehlt, Kirch hat keine Olympiarechte. Löffelholz ist aber auch nicht da.

Kohl: Wenigstens eine erfreuliche Nachricht. Was macht eigentlich mein Inn'nminister?

Bohl: Kanther?

Kohl: Panther, Kanther, irgendeiner ...

Bohl: Der hat keine Lust zu kommen. Sport stehe bei ihm unten auf der Agenda, läßt er wissen. Er arbeite gerade an der dritten Novelle zur Verschärfung des Asylrechts.

Kohl: Der Inn'nminister hat zu erscheinen. Sport ist das Thema, mit dem wir die Menschen von dieser Straße holen. Der Schäuble soll anrollen, der Scharping kann von mir aus in der Radlerhose und der Fischer in Kickstiefeln kommen. Der Kinkel kann ja die Steffi mitbringen, wenn er unbedingt will. Wichtig ist, daß wir Stärke und Einigkeit zeigen.

2. Szene Der Daimler spricht

Berta-Benz-Haus in der Stuttgarter Daimler-Zentrale. Dienstzimmer.

Kleinert: Herr Bohl, wie sieht's denn jetzt aus mit unserem Termin? Bald ist Olympia und immer noch nichts passiert.

Bohl: Herr Kleinert, es liegt nicht an uns, es liegt an Ihren Herren Kollegen. Herr Piäch von VW will dieselbe Redezeit wie Daimler, Herr Kopper von der Deutschen Bank noch mehr, Herr Henkel vom BDI will unbedingt einen eigenen Tagesordnungspunkt „Standortvorteil Fairplay“, was Herr Murmann vom Arbeitgeberverband strikt ablehnt. Lediglich Herr Sommer von der Telekom ist bereit, sich bedingungslos kurz zu fassen.

Bohl schmunzelt.

Kleinert: Ich möchte noch vorschlagen, unseren Partner Egidius Braun mit auf die Gästeliste zu setzen. Herr Braun steht als DFB- Präsident für die soziale Offensive im Sport, die wir vollinhaltlich mittragen.

Bohl: Kein Problem, Herr Kleinert, der Kanzler fühlt sich Herrn Braun auch über den gemeinsamen Freund Herrn Vogts verbunden.

3. Szene Der Baron spricht

Amtszimmer des Präsidenten des Deutschen Sportbundes in der Berliner Jesse-Owens-Allee.

Richthofen: Guten Tag, Herr Schumann, Sie kommen doch sicher gern zum runden Tisch.

Schumann: Nur wenn mir der Kanzler fünf Millionen für die Sporthilfe gibt. Allgemeines Blabla bringt nichts, davon kann ich Ihnen als WAZ-Geschäftsführer ein Lied singen. Da gehe ich lieber mein Handicap verbessern; außerdem sieht mich meine Frau viel zu selten.

Richthofen: Lieber Walther, wie ist es mit dir?

Tröger: Ist Bach auch da? Dann komme ich nur, wenn ich ausreichend Redezeit bekomme, um aus meinen Schriftsätzen zu zitieren. Ich habe alle Differenzen dokumentiert, die ich mit dem Kollegen Bach habe.

Richthofen: Hast du etwas dagegen, wenn ich den alten Daume einlade?

Tröger: Das erste, was der sagen wird: (äfft Daumes Stimme nach) Ist der Tröger da? Neben den setz' ich mich nicht! (Winkt ab) Ich kann's ja doch nicht verhindern. Du sagst doch bei jeder Gelegenheit, du seist die Nummer eins, der neue Oskar des Sports.

Richthofen geht zum Telefon.

Richthofen: Herr Daume, wollen Sie noch einmal die Mühe der langen Reise auf sich nehmen?

Daume: Ist der Tröger da? Dann komme ich nur, wenn ich nicht neben ihm sitzen muß. Ich sitze nur neben den Großen, die das Feuer aus dem Stein schlagen.

Richthofen: In Ordnung, Herr Daume. Ich werde Herrn Bohl bitten, Sie neben dem Kanzler zu plazieren.