Verkehrsplanung in Mannheim?

■ betr.: „Mit der Bahn in die Zukunft?“, taz-Tagesthema vom 15. 1. 96

Wow! Der Rhein-Neckar- Raum als Vorbild im Schienen- Personen-Nahverkehr? Da werden sich die real existierenden Fahrgäste hier aber gefreut haben! Fangen wir mal mit den Fakten an:

Falls die S-Bahn im Jahr 1999 von Waldhof Bahnhof nach Mannheim Hauptbahnhof tatsächlich 15 Minuten brauchen sollte, wären das fünf Minuten mehr, als die Bahn bisher fahrplanmäßig unterwegs ist. So also bitte nicht.

Hochmoderne Niederflurzüge fahren heute schon als „Stadtbahn“ auf den Schienen der ehemaligen Straßenbahn, Fahrzeit vom Waldhof zum Hauptbahnhof: 20 Minuten. Espressotrinken ist nicht angeraten, weil die hochmodernen Niederflurzüge in Kurven und Weichen ruckeln und zuckeln, daß es Fahrgäste schon mal vom Sitz haut. So also auch nicht.

Es stimmt, daß die Mannheimer Verkehrs- und Versorgungsgesellschaft (MVV) sich in der Ausschreibung für den Regionalverkehr beworben hat. Wohlgemerkt die MVV und nicht der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN), dem sie angehört. Dieser Verkehrsverbund hat schon längst Heidelberg und Worms mit eingebunden, weil diese Städte seit seiner Gründung 1989 dazugehören. Bruchsal dagegen ist an das vorzügliche Netz des Karlsruher Verkehrsverbundes angeschlossen, bei dem die Züge über DB-Gleise nach Karlsruhe-Durlach fahren und dort auf die Straßenbahnschienen abbiegen, um ihre Fahrgäste ins Karlsruher Stadtzentrum zu bringen. Das wird im Rhein- Neckar-Raum schwerer möglich sein, da hier die Straßenbahnspurweite nicht mit der DB-Spurweite übereinstimmt. Bruchsal wird also ausfallen.

Sollten wir 1999 im Viertelstundentakt zum Kaiserslauterer Betzenberg fahren können, wäre das natürlich in Ordnung. Dann braucht Waldhof Mannheim endgültig nicht aufzusteigen. Schön wäre es natürlich auch, wenn das bisherige Gebiet des Verkehrsverbundes durch eine schnelle S-Bahn im Viertelstundentakt erschlossen würde. Und jenseits der S-Bahn- Schienen?

Die Kernfrage bleibt: Ist das Unternehmen MVV beser als die Bahn dafür prädestiniert, den Regionalverkehr erstklassig zu organisieren? Das Unternehmen, das 1995 sein Straßenbahnliniennetz ausgedünnt und die Zeittakte vergrößert hat, so daß die Bahnen rappelvoll sind und einen Erfolg simulieren, der sich eher als Vergraulung der Kunden darstellt? Das Unternehmen, dessen Vorstandsmitglied Roland Hartung sein eigenes Produkt, die Straßenbahn, „selbstverständlich“ nicht benutzt, weil er es nicht für attraktiv hält? Das Unternehmen, dessen Vekehrsplaner gegen verkehrsberuhigte Zonen argumentieren, weil dann die Straßenbahn auch nur Tempo 30 fahren dürfte und damit zu teuer würde? Das Unternehmen, das für zwei mal 150 Meter Autoparkspur denkmalgeschützte Wohnhäuser abgerissen sehen will, weil sonst die Straßenbahn zu langsam und damit – siehe oben – zu teuer wird?

Und das alles in einer Stadt, die sich noch 1990 für 2,4 Millionen ein Parkleitsystem leistete, das damals schon von Verkehrsplanern anderer Städte als blanker Unfug bezeichnet wurde? Der blanke Unfug wurde am 1. 1. 96 abgeschaltet, weil die Telekom (schon wieder die) eine dafür bestimmte Datenleitung nicht mehr betreibt und weil die strukturelle Dummheit der Autofahrenden das System souverän ignoriert hat: die stehen mit laufendem Motor vor dem erstbesten Parkhaus, das sie finden – voll hin und her. Verkehrsplanung in Mannheim? Ich fürchte, als Modelle müssen andere Städte herhalten. So wie hier – bitte nicht! Bernd Oehler, Mannheim