Vierzig Millionen Mark atomisiert

■ Der Bürgermeister von Neckarwestheim muß wegen veruntreuten Geldern achteinhalb Jahre hinter Gitter

Stuttgart (taz) – Der Bürgermeister des Atomdorfes Neckarwestheim muß für achteinhalb Jahre ins Gefängnis. Horst Armbrust wurde gestern vom Landgericht Stuttgart verurteilt, weil er insgesamt 40 Millionen Mark aus der Gemeindekasse veruntreut hat. Vor einem Jahr wurde der 63jährige verhaftet, er sitzt seither in Untersuchungshaft. Von dem Geld fehlt jede Spur.

Neckarwestheim bei Heilbronn galt als die reichste Gemeinde der Bundesrepublik. Dank dem Atomkraftwerk flossen jährlich Millionen an Gewerbesteuer, die Gemeinde wußte am Ende nicht mehr, wohin mit dem Geld. Den 3.000 Einwohnern stehen vier öffentliche Bäder kostenlos zur Verfügung, ebenso ein gemeindeeigener Golfplatz.

Der Reichtum schien dem Bürgermeister, der seit 1961 hier regierte, zu Kopf gestiegen. Von 1987 an kaufte Armbrust Immobilien, im Wert von elf Millionen. Zins und Tilgung der Kredite wollte er mit Spekulationsgewinnen abzahlen, die er sich durch die gewinnbringende Anlage der Gemeinderücklagen versprach. 40 Millionen Mark gab Armbrust windigen Anlagebetrügern, die ihm hohe Renditen versprachen, die das Geld aber in nicht nachvollziehbare Kanäle veschwinden ließen. Armbrust bestritt, die Gelder in betrügerischer Absicht nach Luxemburg, Liechtenstein und in die Schweiz gebracht zu haben. Er schob die Schuld auf einen ebenfalls inhaftierten Anlagebetrüger.

Wie schlecht die Welt ist, erzählte Armbrust am letzten Verhandlungstag: Beim Hofgang habe er vor einiger Zeit einem Mithäftling 90 Mark geliehen und bis heute nicht wiederbekommen. Philipp Maußhardt